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BURNOUT
personalmagazin 03 / 12
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Fachanwältin für
Arbeitsrecht bei Maat
Rechtsanwälte, München
Dr. Jutta Cantauw
tet (dazu BAG, Urteil vom 13.3.1967, Az.
2 AZR 133/66).
Gegensteuern kann der Arbeitgeber
etwa durch eine Entlastung oder Ver-
änderung von Aufgaben, Regulierung
der Arbeitszeit und Festlegung von Er-
holungsphasen. Gegebenenfalls ist der
Arbeitnehmer auch dazu anzuhalten,
seinen Erholungsurlaub zu nehmen
(BAG, Urteil vom 13.3.1967, Az. 2 AZR
133/66). Darüber hinaus können Ange-
bote hilfreich sein, um die individuelle
Selbstwahrnehmung und Resilienz (etwa
durch Seminare) zu stärken. Eventuell
kann der Arbeitgeber auch verpflichtet
sein, dem Arbeitnehmer anzubieten, ihn
im Rahmen der vertraglich vereinbarten
Tätigkeit auf einen anderen Arbeitsplatz
umzusetzen (BAG, Urteil vom 17.2.1998,
Az. 9 AZR 130/97; zu einem leidensge-
rechten Arbeitsplatz aber auch BAG, Ur-
teil vom 19.5.2010, Az. 5 AZR 162/09,
das aber auf Burnout-Fälle wohl nicht
ohne Weiteres übertragbar ist).
Voraussetzung für die Pflicht zum
Einschreiten ist stets, dass die dro-
hende Überlastung erkennbar ist. Für
Burnout-Fälle ist indessen nicht unty-
pisch, dass Vorgesetzte und Kollegen die
Überlastung nicht wahrnehmen, bis der
Betroffene plötzlich zusammenbricht.
Burnout-Gefährdete überspielen häu-
fig ihre Schwierigkeiten, weil sie unter
Selbstzweifeln und Schamgefühlen lei-
den. Solange keine Anzeichen einer re-
duzierten Leistungsfähigkeit erkennbar
sind, darf sich der Arbeitgeber bei der
Zuteilung von Aufgaben an der durch-
schnittlichen Leistungsfähigkeit ori-
entieren. Von einer Führungskraft, die
entsprechend ihrer Stellung im Unter-
nehmen hohen Anforderungen gewach-
sen sein muss, darf ein besonders hohes
Maß an Arbeit verlangt werden (BAG, Ur-
teil vom 13.3.1967, Az. 2 AZR 133/66).
Rückkehr nach einem Burnout
Kommt es bei einem Mitarbeiter zum
Burnout, bedeutet das häufig den plötz-
lichen Totalausfall, wobei regelmäßig
unklar ist, ob und wann er zurückkehrt.
Sobald der Betroffene innerhalb eines
Jahres insgesamt längeralssechsWochen
arbeitsunfähig ist, ist ein betriebliches
Eingliederungsmanagement (BEM)
durchzuführen (§ 84 Abs. 2 1 SGB IX).
Im BEM kann geklärt werden, ob, wann
und unter welchen Voraussetzungen
eine Rückkehr des Arbeitnehmers
denkbar ist und wie neuen Zusammen-
brüchen vorgebeugt werden kann. Die
Durchführung des BEM setzt allerdings
voraus, dass der Betroffene damit einver-
standen ist. Da es beim Burnout im Kern
um psychische Belastungen geht und die
Ursachen oft weit in den persönlichen
Bereich hineinreichen, ist zu erwarten,
dass sich Arbeitnehmer zurückhaltend
auf BEM-Angebote einlassen.
Vorsicht bei betrieblicher Eingliederung
Es ist im Übrigen davon abzuraten, im
Rahmen des BEM Ursachenforschung
durch das BEM-Gremium zu betreiben.
Dies sollte Fachleuten, insbesondere dem
Betriebsarzt, überlassen bleiben. Diesem
sollten konkrete Fragen gestellt werden,
die er ohne Verletzung der Schweige-
pflicht beantworten kann. Insbesondere
sollte gezielt gefragt werden, wie die Ar-
beitsbedingungen verändert und welche
sonstigen Maßnahmen ergriffen werden
können, um die Arbeitsunfähigkeit dau-
erhaft zu überwinden.
Unter Umständen kann eine stufen-
weise Wiedereingliederung (§ 74 SGB V)
Sinn machen. Das hat den Vorteil, dass
der Betroffene seine Tätigkeit sukzessive
aufnehmen kann. Die ärztliche Empfeh-
lung kann auch die Versetzung auf ei-
nen anderen Arbeitsplatz beinhalten. Ist
dem Arbeitgeber die Versetzung möglich
und zumutbar, kann sogar unter engen
Voraussetzungen eine Pflicht zur Ver-
setzung bestehen (dazu BAG, Urteil vom
23.4.2008, Az. 2 AZR 1012/06).
ENTGELT
Fällt ein Arbeitnehmer wegen Burnout für einen langen Zeitraum aus, endet die Entgelt-
fortzahlung regelmäßig nach sechs Wochen, § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz
(EFZG). Bei Rückfällen besteht ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur unter den
Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG. Zusätzliche Kosten können allerdings durch
sich aufsummierende Urlaubsansprüche entstehen.
Endet die Entgeltfortzahlung, kann der gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer für
maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren Krankengeld beanspruchen (§ 44 SGB V).
In einer etwaigen Wiedereingliederungsphase bleibt es bei Arbeitsunfähigkeit und
Krankengeldbezug. Bei privat versicherten Arbeitnehmern kommt es darauf an, ob und in
welchem Umfang diese eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen haben.
Anders ist die Situation, wenn eine Berufskrankheit und damit ein Versicherungsfall der
gesetzlichen Unfallversicherung vorliegt. Dann erhält der Arbeitnehmer kein Kran-
kengeld, sondern umfassende Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Wegen
der verschiedenartigen Ursachen des Burnout-Syndroms stehen die Sozialgerichte der
Anerkennung entsprechender Krankheitsbilder als Berufskrankheit bisher allerdings eher
ablehnend gegenüber. Für den Arbeitgeber bedeutet die Nichtanerkennung insbesonde-
re, dass die weitreichende Haftungsbeschränkung des § 104 SGB VII nicht greift.
Fortzahlungskosten sind meist überschaubar