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TITEL
03 / 12 personalmagazin
BURNOUT
Konflikten aus dem persönlichen und
beruflichen Kontext unbürokratisch und
vertraulich unterstützt. Dabei stammen
die Themen jeweils zu etwa einem Drit-
tel aus dem beruflichen Alltag, aus dem
privaten Kontext und aus beiden The-
menfeldern zusammen. Ziel ist es, den
Mitarbeiter je nach seinen individuellen
Zielen und Lösungen zu unterstützen
und anschließend auf Wunsch intern
oder extern zu begleiten. „FollowUp“ und
Evaluation belegen: Fast 90 Prozent der
Beratenen geben an, dass sie sich sehr
gut verstanden fühlen, die Beratungszeit
optimal genutzt wird, die Beratung ih-
nen bei der Bewältigung ihres Themas
geholfen hat und sie diesen Service an
Kollegen weiter empfehlen.
Spielräume schaffen
Auch das alltägliche Arbeitsumfeld sollte
Überlastung vermeiden und den Aus-
gleich zwischen Arbeit und Privatleben
ermöglichen. Dafür ist vorrangig jeder
Mitarbeiter selbst verantwortlich, aber
auch hier können und müssen Betriebe
unterstützen. Das Burnout-Risiko ist
besonders hoch, wenn Mitarbeiter eine
hohe Arbeitsbelastung bei gleichzeitig
geringem Handlungsspielraum erleben.
Haben Mitarbeiter jedoch Spielräu-
me zur Verfügung, können psychische
Belastungen bei der Arbeit reduziert
und die Freiräume genutzt werden, um
berufliches Engagement mit einem er-
füllten Privatleben zu verbinden.
Die SAP AG bietet solche Gestal-
tungsspielräume an. Ein Beispiel ist die
Arbeitszeitautonomie, die es jedem Mit-
arbeiter ermöglicht, Arbeitsbeginn und
-rhythmus weitgehend selbst zu bestim-
men. Zudem ist es möglich, Gehaltsan-
teile auf Arbeitszeitkonten anzusparen,
um etwa eine längere bezahlte Auszeit
zu nehmen. Ferner gibt es an mehreren
Standorten eine externe Kinderbetreu-
ung und Eltern-Kind-Büros für Notfälle.
„Wie bei den meisten Großunterneh-
men ist der Arbeitsalltag bei SAP durch
komplexe, anspruchsvolle Aufgaben mit
hoher Arbeitslast und hohem Zeit- und
Ergebnisdruck geprägt“, sagt Natalie
Lotzmann, Fachärztin für Arbeitsmedi-
zin und Leiterin des Gesundheitswesens
bei SAP. „Maßnahmen, die die Work-Life-
Balance der Mitarbeiter fördern, können
diese Belastung jedoch ausgleichen.“
Eine weitergehende Förderung der
Work-Life-Balance setzt an der Kultur an.
Häufig werden soziale Normen zu einer
Quelle psychischer Belastung. Kulturen,
in denen Stress als normal oder gar als
Zeichen von Erfolg erachtet und Fehler
oder persönliche Schwäche als Tabu be-
handelt werden, können dem Einzelnen
ein Übermaß an Einsatz abverlangen,
ihn gar bis zur psychischen Erkrankung
treiben (siehe Kasten auf dieser Seite).
Ganzheitlicher Ansatz entscheidend
Die Ansätze zeigen die vielen Mög-
lichkeiten, das Thema „Psychische Ge-
sundheit“ im Unternehmen anzugehen.
Entscheidend ist, alle Bereiche der Orga-
nisation einzubeziehen. Die Förderung
der psychischen Gesundheit kann nicht
von heute auf morgen umgesetzt werden.
Jedoch helfen dem Unternehmen die be-
schriebenen vier Maßnahmen, bewusst
zu entschleunigen und die Ressourcen
auf das Wesentliche zu fokussieren.
Direktorin am Institut für
Führung und Personal-
management, St. Gallen
Prof. Dr. Heike Bruch
Wissenschaftliche
Mitarbeiterin am IFPM,
Universität St. Gallen
Leonie Spalckhaver
PRAXISBEISPIEL
Boxenstopps für Mitarbeiter: Auftanken und neue Energie sammeln
Seit 1984 entwickelt die Firma Hilti systematisch die Unternehmenskultur. „Unsere Mitarbei-
ter und die Unternehmenskultur sind nicht weiche Elemente, sondern entscheidende Treiber
des Erfolgs. Sie sind eines unserer wichtigsten Erfolgsgeheimnisse“, sagt Verwaltungsrat
Michael Hilti. Im Jahr 2003 überarbeitete Hilti das Kulturentwicklungsprogramm und führt
unter dem Namen „Our Culture Journey“ verpflichtende zwei- bis viertägige Seminare für alle
Teams im Unternehmen durch.
Einer dieser Workshops nennt sich „Pit Stop“, also Boxenstopp, der auf das Auftanken und
den Reifenwechsel im Motorsport anspielt. Dabei sollen die Teilnehmer für neue Aufgaben
Energie sammeln und entscheiden, auf welche Projekte sie sich konzentrieren wollen. Zudem
geht es um die eigene Arbeitsbelastung und die Work-Life-Balance der Teammitglieder. Das
Topmanagement steht uneingeschränkt hinter dieser Entwicklung und investiert erhebliche
Mittel in das Programm. Auch die Geschäftsleitung wendet von ihrer Arbeitszeit mindestens
zehn Tage jährlich für Kulturtrainings auf. Durch das Programm hat sich die Unternehmens-
kultur weiterentwickelt, was auch
messbare Ergebnisse zeigen. Die
jährliche Mitarbeiterbefragung ergab,
dass 81 Prozent ihren Arbeitgeber
weiterempfehlen würden. 87 Prozent
sind stolz darauf, bei Hilti zu arbeiten
und 94 Prozent sind bereit, was immer
möglich ist, für den Unternehmenser-
folg zu tun.
Auftanken – auch für Mitarbeiter wichtig.