Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
TITEL
18
BURNOUT
personalmagazin 03 / 12
„Prophylaxe ist dasWichtigste“
INTERVIEW. Der leitende Angestellte eines Mittelständlers berichtet über die
Ursachen seines Burnouts und sagt, was Personaler daraus lernen können.
personalmagazin:
Gab es Faktoren in der
Organisation, die maßgeblich zu ihrem
Burnout beigetragen haben?
N.N.:
In erster Linie das schlechte Be-
triebsklima, das durch eine ausschließ-
liche Profit- und Leistungsorientierung
geprägt war. Der Mensch spielte
letztlich überhaupt keine Rolle bei
meinem ehemaligen Arbeitgeber. Hinzu
kam der kontinuierlich steigende Druck
meiner Vorgesetzten, gute Ergebnisse
zu liefern. Auch wenn ich anfangs noch
meine Ziele erreichte, wurde schnell
deutlich, dass meine Arbeit in den Au-
gen meiner Vorgesetzten nie gut genug
sein konnte. Allein die Zahlen mussten
stimmen – alles andere war egal.
personalmagazin:
Inwieweit spielten auch
persönliche Eigenschaften und Verhal-
tensmuster eine entscheidende Rolle?
N.N.:
Natürlich habe ich anfangs
gedacht, dass es vor allem am Ar-
beitsumfeld lag. Heute weiß ich aber,
dass vieles auch in meiner Persönlich-
keit begründet war. Ich bin ein sehr
ehrgeiziger Mensch, der durchaus auch
zur Perfektion neigt. Alles, was ich an-
packte, wollte ich stets wirklich gut ma-
chen. Diesen Anspruch hatte ich – und
lebte ihn in vollen Zügen. Ich habe mir
immer wieder eingeredet: „Du schaffst
das schon.“ Das war mein innerer
Antrieb, der mich alles um mich herum
vergessen ließ. Ich habe unentwegt nur
noch an die Arbeit gedacht. Zeit für
Erholung gönnte ich mir nicht – mit der
Konsequenz, dass ich zunehmend an
meine körperlichen und psychischen
Grenzen stieß. Ausschlaggebend war
jedoch, dass ich nie positives Feedback
erntete, das ich stillschweigend aber
immer erwartet habe.
personalmagazin:
Was denken Sie, können
Unternehmen tun, um Burnout frühzei-
tig zu verhindern?
N.N.:
Meiner Erfahrung nach ist Pro-
phylaxe das Wichtigste. Personaler und
Vorgesetzte müssen sehr viel früher
eine Wahrnehmung dafür entwickeln:
Sind in meinem Zuständigkeitsbereich
Mitarbeiter an ihrer Belastungsgren-
ze – ja oder nein? Wie entwickeln sich
die Ausfall- und Krankheitsprofile?
Steigen die psychischen Störungen an?
Das heißt, der Arbeitgeber muss aktiv
die Verantwortung für die Gesundheit
seiner Mitarbeiter übernehmen. Dazu
gehört vor allem mehr Achtsamkeit im
Umgang miteinander und die Aufklä-
rung über den Verlauf psychischer
Erkrankungen. Denn Burnout ist ein
schleichender Prozess, der sich bei
jedem Menschen in unterschiedlichen
Symptomen bemerkbar macht. Dafür
braucht es ein geschultes Auge.
personalmagazin:
Welche Symptome
zeigten sich bei Ihnen?
N.N.:
Anfangs hatte ich stechende
Schmerzen im Unterleib, denen ich
aber nur wenig Aufmerksamkeit
schenkte. Mit zunehmendem Druck im
Unternehmen wurden die körperlichen
Symptome stärker. Ich litt zunehmend
unter Schlafstörungen sowie Grübelat-
tacken. Als mein Chef mir schließlich
eines Tages klipp und klar sagte: „Wenn
Sie Ihre Ziele nicht erreichen, ziehen
wir persönliche Konsequenzen“, emp-
fand ich das als persönliche Bedrohung.
An jenem Abend kam ich um 23 Uhr
nach Hause, am nächsten Tag schaffte
ich es nicht mehr aus dem Bett. Ich lag
einfach nur da und kämpfte mit starken
Weinkrämpfen. Es ging nicht mehr.
personalmagazin:
Sie sind heute selbst-
ständiger Berater. Wie lange hat Ihr
Genesungsprozess ungefähr gedauert?
N.N.:
Mein Arzt hat mir zu Beginn
gesagt, dass es zirka eineinhalb Jahre
dauern wird. Im Nachhinein stimmte
das auch. Man braucht diese Zeit.
war vor seinem Burnout leitender
Angestellter eines mittelständischen
Logistikunternehmens und ist heute
selbstständiger Berater.
N.N.
Das Interview führte
Nicole Schrehardt.