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ORGANISATION
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GESUNDHEITSMANAGEMENT
tifizieren lassen, wer nach der DIN Spec?
Badura bleibt diplomatisch, der Markt
werde entscheiden. „Ich bin der Ansicht,
dass unser SCOHS die ausgereiftere Ver-
sion ist. Doch die DIN-Organisation spielt
natürlich in Deutschland eine wichtige
Rolle – es gibt eine gewisse institutions-
bedingte Autorität, die von einer solchen
Norm ausgeht. Der Kunde soll sich über-
legen, ob er organisationsbezogene Stan-
dards oder andere möchte.“
Die Kundschaft indes ist sich noch
nicht mal einig, ob sie überhaupt Stan-
dards möchte. Niels Gundermann, Leiter
der Geschäftsentwicklung im Fürsten-
berg Institut, einem Beratungsunterneh-
men für Gesundheitsmanagement, sieht
gerade für kleine und mittelständische
Unternehmen in der DIN Spec 91020
die Möglichkeit, den Stand ihrer Bemü-
hungen nach einer verbindlichen Spe-
zifikation zu ermitteln. Doch, so betont
Gundermann, müsse man sich klar sein,
dass „trotz alledem in Zukunft nicht die
Unternehmen erfolgreich sein werden,
die lediglich normierte Regeln beach-
ten, sondern diejenigen, die auf Basis
dessen an tatsächlichen Einstellungs-
und Verhaltensänderungen, sprich am
Bewusstsein ihrer Mitarbeiter und Füh-
rungskräfte arbeiten“.
Gesundheitspraktiker kritisch
„Keinerlei Bedarf“ für einen neuen DIN-
Standard sieht dagegen Dr. Andreas
Tautz, Chief-Medica-Officer der Deut-
schen Post: „Gesundheitsmanagement
findet immer imKern des Unternehmens
statt, orientiert an der individuellen Un-
ternehmensstruktur. Es erfordert primär
Investitionen in Führungskompetenz,
nicht in den Einkauf von Gesundheits-
dienstleistungen oder Zertifizierungs-
maßnahmen.“ Sicherlich sei es hilfreich,
das betriebliche Gesundheitsmanage-
ment tiefer in international etablierte Ar-
beits- und Gesundheitsschutzstandards,
wie zum Beispiel OHSAS 18001 (Occu-
pational Health- and Safety-Assessment-
Series), zu integrieren. Doch was nun
passiert hält Tautz für überzogen: „War
der Tüv Nord Cert unlängst mit dem An-
gebot einer BGM-Zertifizierung nach den
Regeln einer Managementsystemprü-
fung gestartet, initiiert nun der nächste
Arbeits- und Gesundheitsschutzdienst-
leister eine DIN.“
Als „vollkommen unnötig“ be-
zeichnet auch sein Medizinerkollege
Dr. Dirk Lümkemann, Geschäftsführer
von padoc, Standards und DIN-Normen
für BGM. „In meiner ganzen Laufbahn
als Gesundheitsberater hat noch kein
einziges Unternehmen nach Gesund-
heitsmanagement-Zertifikaten gefragt.“
BGM müsse individuell betrieben wer-
den: „Betriebe brauchen eine praktika-
ble Unterstützung, um das Thema in
ihrer Unternehmensrealität und –kultur
abzubilden. Es wäre praxisfern, einem
HR-Verantwortlichen über DIN-Normen
ein für alle Unternehmen einheitliches
Gesundheitsprogramm aufzudrängen.
Personalentscheider wissen, wie man
Veränderungsprozesse angeht. Dazu
brauchen sie keine standardisierten
Abläufe, die ausnahmslos ihre Berech-
tigung im Arbeitsschutz haben.“ Für
Lümkemann ist klar, wie sich der Markt
verhalten sollte: „Ich hoffe, dass die Un-
ternehmen ihre strategische Intelligenz
behalten und nicht auf Standardmassen-
programme umschwenken. Das wäre der
falsche Weg für dieses inidviduelle und
hochkreative Thema.“
INTERVIEW
„Endlich Klarheit schaffen“
personalmagazin:
Was verändert die neue DIN im
Bereich des BGM tatsächlich?
Bernd Siegemund:
Ich erhoffe mir, dass der Stan-
dard den Unternehmen hilft, sich zu orientieren,
was die Umsetzung eines BGM angeht. Also welche
Grundvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit
man von einem sinnvollen System sprechen kann,
ob es nachhaltig angelegt ist, ob es bestimmte
Verbindlichkeiten und eine Art Verbesserungs-
zyklus automatisch mit sich bringt.
personalmagazin:
Kritiker halten die Norm für zu
technisch.
Siegemund:
Wer Gesundheitsmanagement sinnvoll
einführen will, muss ein Managementhandbuch
entwickeln. Das ist auf der einen Seite firmenspe-
zifisch, muss aber auch gewisse Grundanforde-
rungen erfüllen. Und genau diese sind in der DIN festgehalten. Wir brauchen eine Basis,
um die vielen Unterschiede und Missverständnisse, die am Markt immer noch kursieren,
auszuräumen. Schon allein die Begrifflichkeiten „betriebliches Gesundheitsmanagement“
und „Gesundheitsförderung“ werden immerzu durcheinandergeworfen. Hier sollte
endlich Klarheit geschaffen werden. Das Ganze ist so konstruiert, dass es problemlos in
ein bestehendes Qualitätsmanagementsystem eingereiht werden kann.
Das Interview führte
Katharina Schmitt
Prof. Dr. Bernd Siegemund
Vorsitzender der Geschäftsfüh-
rung, BAD Gesundheitsvorsorge
und Sicherheitstechnik GmbH