Seite 73 - personalmagazin_2012_06

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RECHT
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UNFALLVERSICHERUNG
Liebe Personalexperten,
haben Sie sich auch
schon mal über merkwürdige Unfallmeldungen
Ihrer Mitarbeiter gewundert? Besonders dann,
wenn mitunter geradezu hanebüchene Unfallab-
läufe zu Protokoll gegeben werden? So wurde mir
kürzlich folgender Fall berichtet: Ein Bauarbeiter
erklärte seinen Arbeitsunfall damit, dass ihm
ein Insekt in den Schuh gekrochen sei. Als er
diesen daraufhin panisch auszog, habe sich just
in diesem Augenblick ein Steinbrocken von der
Fassade gelöst und sei ihm auf den entblößten
Zeh gefallen.
Sie ahnen es: In Wirklichkeit hatte sich die
Geschichte ganz anders abgespielt.
Der Arbeit-
nehmer hatte nicht die von der Berufsgenossen-
schaft vorgeschriebenen Sicherheitsschuhe an,
und der Stein war in Wirklichkeit ein Putzham-
mer, der von einem Arbeitskollegen fahrlässiger-
weise vom Gerüst gestoßen wurde. „Keiner sagt,
wie es wirklich passiert ist!“ So dürfte wohl
die Absprache zwischen den Arbeitskollegen
gelautet haben. Die betroffenen Mitarbeiter
hatten die Befürchtung, dass die Versicherung
Probleme machen könnte, sollte die Wahrheit
herauskommen.
Recht hätten die Mitarbeiter mit ihrer Befürch-
tung, wenn sich das Ganze im privaten Leben
abgespielt hätte.
Hier wäre dem Verletzten eine
Obliegenheitsverletzung wegen seiner fehlenden
Sicherheitsschuhe zum Vorwurf gemacht worden
und dem Arbeitskollegen hätte ein Regress
gedroht, da er nach § 823 BGB einen anderen
Menschen verletzt hat.
Allerdings ist im Recht der gesetzlichen
Unfallversicherung alles anders.
Hier ist zunächst
zu beachten, dass ein Verstoß gegen Sicherheits-
vorschriften, auch wenn er noch so offensichtlich
ist und ohne ihn die Verletzungen nicht aufgetreten
wären, keine Minderung, geschweige denn einen
Ausschluss von der Versicherungsleistung nach sich
leitet das Ressort Recht im
Personalmagazin.
Thomas Muschiol
KOLUMNE. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Daher
wird bei Arbeitsunfällen nicht nach dem Schuldigen
gesucht. Das dient auch dem Betriebsfrieden.
Kein Grund zum Lügen
bei Arbeitsunfällen
Legen Sie Ihren
Mitarbeitern
ans Herz, bei
der Wahrheit zu
bleiben.
zieht. Dafür sorgt die Vorschrift des § 7 Abs. 2 SGB
VII, in dem lapidar geregelt ist: „Verbotswidriges
Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht
aus.“ Noch wichtiger ist jedoch die Vorschrift des
§ 105 SGB VII, die das normale zivilrechtliche
Haftungsrecht dann ausschließt, wenn eine
Verletzung auf ein fahrlässiges Handeln eines
Arbeitskollegen oder auch des Arbeitgebers
zurückzuführen ist. Diese spezielle Enthaftungsre-
gelung dient dem Betriebsfrieden und verhindert,
dass nach Arbeitsunfällen von den Verletzten oder
den einstehenden Versicherungen der „Schuldige“
gesucht und bei ihm Regress genommen wird.
Übrigens: Auch die im normalen Haftungsrecht
gängigen Schmerzensgeldzahlungen sind
aufgrund dieses besonderen Haftungsrechts bei
Arbeitsunfällen kein Thema.
Sie sollten daher Ihren Mitarbeitern, beispiels-
weise im Rahmen einer Betriebsversammlung,
ans Herz legen, bei Arbeitsunfällen bei der
Wahrheit zu bleiben.
Die Sorge, keinen Versi-
cherungsschutz zu bekommen, ist unbegründet.
Niemand muss abenteuerliche Geschichten zum
angeblichen Unfallverlauf erfinden.
Alle Gute und bis zum nächsten Mal.
Bei der
Entgeltabrechnung
setze ich auf ADP.
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