Seite 61 - personalmagazin_2012_06

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„40 Portugiesen vor der Tür“
INTERVIEW. Auf eine PR-Aktion hin wurde Schwäbisch Hall mit Bewerbungen
aus Portugal überflutet. Arbeitsagentur-Chef Guido Rebstock erläutert die Folgen.
personalmagazin:
Wie haben Sie den Be-
werberansturm aus Portugal bewältigt?
Guido Rebstock:
Wir haben Sonderteams
eingerichtet und Sonderschichten absol-
viert, um möglichst schnell feststellen
zu können, welche Bewerbungen sich
in dieser Flut befinden. Wir sortierten
sie zunächst nach zwei Hauptkriterien:
arbeitslos und nicht arbeitslos. Nun
konzentrieren wir uns auf die arbeits-
losen Bewerber. Von diesen sind rund
20 bis 30 Prozent für uns interessant.
Das heißt, wir können sie an Betriebe
in der Region weiterleiten. Wir können
sie auch an auswärtige Firmen weiter-
leiten, weil wir da auch schon gut 70
Anfragen haben.
personalmagazin:
Gab es bereits Einstel-
lungen?
Rebstock:
Zusätzlich zu den mehr als
10.000 Bewerbungen per E-Mail gab es
rund 40 persönliche Bewerbungen. Die
Leute standen hier einfach vor der Tür.
Das sind vornehmlich Personen aus
dem gewerblich-technischen Bereich
oder dem Hotel- und Gaststättenge-
werbe. Von diesen konnten wir schon
etwa 15 vermitteln. Das sind allein die
Einstellungen, über die wir informiert
sind. Wir haben nicht über alle Vorgän-
ge am Arbeitsmarkt Kenntnis, da einige
Firmen direkt angeschrieben wurden.
personalmagazin:
Wie können die Sprach-
probleme gelöst werden?
Rebstock:
Einige Anfragen kamen von
Unternehmen, die Geschäftsbezie-
hungen zu Portugal oder Südamerika
haben. Aber das ist eher die Ausnahme.
90 Prozent der Bewerbungen waren in
Englisch. Mit dieser Sprache kommt
man in unserer Region auch weiter,
da es viele international tätige Firmen
gibt. Aber die meisten Arbeitgeber
wollen, dass ihre Mitarbeiter deutsch
sprechen. In Schwäbisch Hall haben
wir zudem den Vorteil, dass Deutsch-
kurse über die Volkshochschule und
das Goethe-Institut möglich sind. So hat
eine Arbeitgeberin die zwei Mitarbeiter,
die sie bereits eingestellt hat, gleich für
einen Deutschkurs angemeldet.
personalmagazin:
Werten Sie die PR-Akti-
on als Erfolg? Sie müssen ja auch vielen
Bewerbern absagen.
Rebstock:
Wir sehen sie schon als Erfolg
an, weil wir Bewerbungen für Stellen
bekommen haben, die wir ursprünglich
nicht besetzen konnten. Wenn sich
so viele Menschen bewerben, werden
automatisch viele enttäuscht. Aber das
ist bei einem Zeitungsinserat, auf das
sich 50 Personen bewerben, ähnlich:
49 erhalten eine Absage. Außerdem bin
ich mir nicht sicher, ob jeder der 10.000
Bewerber ernsthaft in Schwäbisch Hall
arbeiten will. Die Tatsache, dass der Ar-
tikel, der zu den Bewerbungen führte,
vor allem über Facebook verbreitet wur-
de, hat wohl zu einem Hype geführt,
ohne dass die Personen sich konkret
überlegt haben, ob sie wirklich nach
Deutschland umsiedeln wollen.
personalmagazin:
Würden Sie also zu wei-
teren ähnlichen Aktionen raten?
Rebstock:
Eine Nachahmung würde
ich nicht unbedingt empfehlen. Der
reguläre Weg der Auslandsrekrutie-
rung geht über die ZAV in Bonn. Seit
etwa anderthalb Jahren vermittelt sie
verstärkt Arbeitskräfte aus Südeuropa
nach Deutschland. Im Eures-Netzwerk
des jeweiligen Landes werden auf
Anfrage von Unternehmen gezielt Per-
sonen ausgesucht. Ein Beispiel: Ende
2011 hatte die Wirtschaftsregion Stutt-
gart zusammen mit der ZAV Ingenieure
in Spanien gesucht. Dort wurden mehr
als 300 Profile gesichtet, dann wurden
95 Ingenieure nach Stuttgart geflogen,
die sich auf einer Messe bei gut 40 Fir-
men vorstellten. Inzwischen sind rund
30 Arbeitsverträge unterschrieben.
leitet die Agentur für Arbeit in Schwä-
bisch Hall. Mit seinen insgesamt 270
Mitarbeitern bearbeitet er derzeit rund
10.000 Bewerbungen aus Portugal.
Guido Rebstock
personalmagazin 06 / 12
Das Interview führte
Daniela Furkel.
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