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KOMPETENZMANAGEMENT
MANAGEMENT
„Keine Prognosemöglich“
INTERVIEW. Fluktuation, Individualisierung, Generation Y: Wie sehr diese
Trends das Skill-Management beeinflussen, erklärt Professor Peter Cappelli.
personalmagazin:
Eines vorab: Wir
sprechen immer von Skills und Kom-
petenzen. Gibt es überhaupt aus wis-
senschaftlicher Sicht einen Unterschied
zwischen beiden?
Peter Cappelli:
Nein, da ist eigentlich kein
großer Unterschied. Vielleicht ist das
Wort „Kompetenz“ etwas spezifischer.
personalmagazin:
Welches sind Ihres Er-
achtens die derzeit wichtigsten Skills?
Cappelli:
Für die Wirtschaft sind das
interpersonelle Skills, wie die Fähigkeit
zur Überzeugung.
personalmagazin:
Gilt dies auch für die
sogenannte „Generation Y”? Der Trend
geht ja dahin, sie besonders zu fördern,
um ihren Skills gerecht zu werden.
Cappelli:
Ich denke nicht, dass es diese
„Generation Y“ wirklich gibt. Die Daten
über Einstellungen und Werte in den
USA zeigen, dass jüngere Menschen
heute praktisch identisch sind zu denen
vor zehn oder 20 Jahren. Um tatsächlich
Unterschiede ausmachen zu können,
muss man weiter zurückgehen und sie
mit der Generation der „Baby Boomer“
vergleichen. Was neue Arbeitnehmer
aber in jedem Fall nicht haben, sind ar-
beitsbezogene Skills. Das ist offensicht-
lich, denn das sind solche Skills, die
man nur über Arbeitserfahrung erlangt.
Darunter fällt die Fähigkeit, in Teams
zu arbeiten oder Projekte zu leiten.
personalmagazin:
Und welches werden
künftig die wichtigsten Kompetenzen
sein? Ist es überhaupt möglich, dies
heute schon abzuschätzen?
Cappelli:
Offen gesagt glaube ich nicht,
dass es möglich ist, dies heute schon
vorherzusagen. Wir waren auch bisher
in keinem Bereich gut darin, eine Pro-
gnose für irgendeine künftige Anforde-
rung zu erstellen.
personalmagazin:
Trotzdem bedarf es
aber doch einer gewissen Planung
für Jobprofile. Mit welchen HR-Instru-
menten kann man dies sicherstellen?
Cappelli:
Es geht im Prinzip immer
nur darum, den Menschen bei ihrer
Entwicklung zu helfen. Das kann man
hauptsächlich über Zielvereinbarungen
erreichen, die die Mitarbeiter dazu
anregen, herausfordernde Aufgaben zu
bewältigen.
Professor für Management an der Uni-
versität von Pennsylvania und Direktor
des Center of HR der Wharton School
Prof. Dr. Peter Cappelli
06 / 12 personalmagazin
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva.
personalmagazin:
Die Fluktuationsrate in
den Unternehmen steigt. Wie können
Personaler dem Risiko begegnen, dass
sie in Skills und Kompetenzen der Mit-
arbeiter investieren, die vielleicht bald
das Unternehmen verlassen?
Cappelli:
Ich denke, es gibt keine Belege
dafür, dass die Fluktuationsrate überall
steigt. Aber das Risiko der Fluktuation
ist wirklich ein finanzielles Problem:
Welche Art von Investment tätigt man
und wann zahlt sich das aus? Eigentlich
investieren viele Arbeitgeber jedoch
nur sehr wenig. Und wenn sie es tun,
ist die Lösung vielleicht die, dies nicht
zu sehr auf die ersten Jahre eines neu-
en Arbeitnehmers zu konzentrieren.
Aber die Faktoren, die die Fluktuation
steigern, sind bekannt und ganz viele
von ihnen kann der Arbeitgeber selbst
steuern – zum Beispiel über Aufstiegs-
möglichkeiten.
personalmagazin:
Das heißt, Personalent-
wicklung ist wichtig für die Mitarbeiter-
bindung. Oder sehen die Arbeitnehmer
inzwischen nicht vielmehr ihre per-
sönliche Kompetenzentwicklung im
Vordergrund – so wie Freelancer?
Cappelli:
Die Personalentwicklung ist
ganz entscheidend für die Mitarbeiter-
bindung. Viele Mitarbeiter verlassen
das Unternehmen, weil sie nichts Neues
lernen – vor allem die besten Arbeit-
nehmer. Und Freelancer sind nicht
zwangsläufig gut darin, ihre Skills auf
dem neuesten Stand zu halten. Es tut
nur einfach sonst niemand für sie.