09 / 12 personalmagazin
83
Recht
_Kolumne
Jetzt gratis testen.
adp-personalmanager.de
Liebe Personalexperten,
natürlich ist ein
guter Vergleich besser als ein schlech-
tes Urteil. Wäre man sich sicher, dass
bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten
sich die stets um eine gütliche Einigung
bemühenden Richter auch immer von
dieser Zielvorgabe leiten ließen, wäre
dem Justizzweig die goldene Ehrenna-
del für vorbildliche „Planübererfüllung“
zu verleihen. In der Tat ist die Quote der
Verfahren, die durch einen Vergleich
beendet werden, im Arbeitsrecht enorm
und bewegt sich insbesondere bei Kündi-
gungsschutzklagen vielerorts weit über
der 90-Prozent-Marke.
Dass damit aber immer ein guter Ver-
gleich einhergeht, der einem schlechten
Urteil vorzuziehen ist, muss allerdings
mehr als bezweifelt werden. Nicht we-
nige Kritiker sehen in der richterlichen
Vergleichspraxis im Arbeitsrecht sogar
das Gegenteil und monieren, dass da-
durch häufig das Recht auf der Strecke
bleibt.
Dass diese Kritik nicht unbegründet ist,
zeigt ein Blick auf die arbeitsgericht
lichen
Geschäftsverteilungspläne,
sprich die jährliche Zuweisung von
potenziellen Fällen auf die einzelnen
Kammern. Ein Blick auf das eingeplante
Zeitbudget pro Verfahren zeigt: Offen-
sichtlich haben sich die Justizbehörden
in ihren Arbeitsbelastungsvorgaben
schon längst darauf eingestellt, dass der
Großteil aller Streitigkeiten ohne zeit-
raubende Beweiserhebungen und ohne
Urteilsabfassungen erledigt wird.
Ein nicht zu übersehender mittelbarer
„Druck zum Vergleich“, den der bekann-
te Münchner Rechtsprofessor Volker
Rieble gegenüber der Frankfurter Allge-
meinen Zeitung einmal wie folgt auf den
Punkt brachte: „Viele Richter befrieden
mit den Vergleichen eigentlich nicht die
Parteien, sondern bewahren ihr eigenes
Dezernat vor dem Absaufen.“ Die Folge
kann daher nur sein, dass Arbeitsrich-
KOLUMNE.
Wer sich vor dem Arbeitsgericht streitet,
sollte vergleichsbereit sein, aber nicht um jeden Preis.
Guter Vergleich oder
fauler Kompromiss?
ter nicht allein auf der Grundlage einer
zehnminütigen Güteverhandlung richtig
entscheiden können, ob es sich bei der
grundsätzlich erfreulichen streitlosen
Prozessbeendigung wirklich um einen
guten Vergleich oder aber um einen fau-
len Kompromiss handelt.
Die Erfahrung aus der Praxis zeigt: Es
ist derjenige im Vorteil, der schon vor
demGang zumArbeitsgericht schriftlich
einen konkreten Vergleichsvorschlag ge-
macht hat und diesen in der Verhand-
lung dann kurz begründet.
Man darf jedoch nicht vergessen: Für
einen guten Vergleich ist nicht nur zu
Beginn, sondern auch und gerade im
weiteren Verlauf eines Prozesses immer
wieder eine günstige Gelegenheit.
Hat man im Gütetermin seine Auffas-
sung eindeutig artikuliert, wird man
häufig im nachfolgenden Kammerter-
min zu einer Lösung im Sinne eines
wirklich guten Vergleichs kommen. Den
missmutigen Blick des Arbeitsrichters,
dessen Hoffnung auf effiziente Beendi-
gung des Verfahrens im Gütetermin Sie
nicht erfüllt haben, sollten Sie dafür ger-
ne in Kauf nehmen.
Alles Gute und bis zum nächsten Mal.
Thomas Muschiol
ist
Leiter des Ressorts Recht im
Personalmagazin.
Für einen
guten Ver-
gleich Gibt es
auch nach dem
Gütetermin Noch
eine Günstige
Gelegenheit.