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Recht
_Kolumne
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Liebe Personalexperten,
natürlich ist ein
guter Vergleich besser als ein schlech-
tes Urteil. Wäre man sich ­sicher, dass
bei arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten
sich die stets um eine gütliche Einigung
bemühenden Richter auch immer von
dieser Zielvorgabe leiten ließen, wäre
dem Justizzweig die goldene Ehrenna-
del für vorbildliche „Planübererfüllung“
zu verleihen. In der Tat ist die Quote der
Verfahren, die durch einen Vergleich
beendet werden, im Arbeitsrecht enorm
und bewegt sich insbesondere bei Kündi-
gungsschutzklagen vielerorts weit über
der 90-Prozent-Marke.
Dass damit aber immer ein guter Ver-
gleich einhergeht, der einem schlechten
Urteil vorzuziehen ist, muss allerdings
mehr als bezweifelt werden. Nicht we-
nige Kritiker sehen in der richterlichen
Vergleichspraxis im Arbeitsrecht sogar
das Gegenteil und monieren, dass da-
durch häufig das Recht auf der Strecke
bleibt.
Dass diese Kritik nicht unbegründet ist,
zeigt ein Blick auf die arbeitsgericht­
lichen
Geschäftsverteilungspläne,
sprich die jährliche Zuweisung von
potenziellen Fällen auf die einzelnen
Kammern. Ein Blick auf das eingeplante
Zeitbudget pro Verfahren zeigt: Offen-
sichtlich haben sich die ­Justizbehörden
in ihren Arbeitsbelastungsvorgaben
schon längst darauf eingestellt, dass der
Großteil aller Streitigkeiten ohne zeit-
raubende Beweiserhebungen und ohne
Urteilsabfassungen erledigt wird.
Ein nicht zu übersehender mittelbarer
„Druck zum Vergleich“, den der bekann-
te Münchner Rechtsprofessor Volker
Rieble gegenüber der Frankfurter Allge-
meinen Zeitung einmal wie folgt auf den
Punkt brachte: „Viele Richter befrieden
mit den Vergleichen eigentlich nicht die
Parteien, sondern bewahren ihr eigenes
Dezernat vor dem Absaufen.“ Die Folge
kann daher nur sein, dass Arbeitsrich-
KOLUMNE.
Wer sich vor dem Arbeitsgericht streitet,
sollte vergleichsbereit sein, aber nicht um jeden Preis.
Guter Vergleich oder
fauler Kompromiss?
ter nicht allein auf der Grundlage einer
zehn­minütigen Güteverhandlung richtig
entscheiden können, ob es sich bei der
grundsätzlich erfreulichen streitlosen
Prozessbeendigung wirklich um einen
guten Vergleich oder aber um einen fau-
len Kompromiss handelt.
Die Erfahrung aus der Praxis zeigt: Es
ist derjenige im Vorteil, der schon vor
demGang zumArbeitsgericht schriftlich
einen konkreten Vergleichsvorschlag ge-
macht hat und diesen in der Verhand-
lung dann kurz begründet.
Man darf jedoch nicht vergessen: Für
einen guten Vergleich ist nicht nur zu
Beginn, sondern auch und gerade im
weiteren Verlauf eines Prozesses immer
wieder eine günstige Gelegenheit.
Hat man im Gütetermin seine Auffas-
sung eindeutig artikuliert, wird man
häufig im nachfolgenden Kammerter-
min zu einer Lösung im Sinne eines
wirklich guten Vergleichs kommen. Den
missmutigen Blick des Arbeitsrichters,
dessen Hoffnung auf effiziente Beendi-
gung des Verfahrens im Gütetermin Sie
nicht erfüllt haben, sollten Sie dafür ger-
ne in Kauf nehmen.
Alles Gute und bis zum nächsten Mal.
Thomas Muschiol
ist
Leiter des Ressorts Recht im
Personalmagazin.
Für einen
guten Ver-
gleich Gibt es
auch nach dem
Gütetermin Noch
eine Günstige
Gelegenheit.