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personalmagazin 09 / 12
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Recht
_vertragsgestaltung
Außerdem ist auch dem tarifgebun-
denen Arbeitgeber zu empfehlen, in den
Arbeitsverträgen klarstellend die tarif-
lichen Ausschlussfristen aufzunehmen.
Im Ergebnis sehen die meisten Tarif-
verträge keine Regelungen in Bezug auf
die Frage vor, wann angesammelte Rest-
urlaubsansprüche zu nehmen sind und
ob Urlaubsansprüche beziehungswei-
se deren Ansammeln begrenzt werden
kann. Einschränkungen in Tarifverträ-
gen finden sich in Bezug auf die Frage
der Länge des Übertragungszeitraums
und der Frage, ob tatsächlich ein schnel-
lerer Verfall der tarifvertraglichen Zu-
satzurlaubsansprüche möglich sein soll.
Keine Betriebsvereinbarungen ­nutzbar
Viele Unternehmen stellen sich die Fra-
ge, ob nicht eine Anpassung aller Ar-
beitsverträge auf einen Schlag dadurch
erreicht werden kann, dass mit dem
Betriebsrat eine neue Betriebsverein-
barung „Urlaub“ vereinbart wird, die
gleichlautende Regelungen enthält und
die dann die bisherigen einzelvertrag-
lichen Regelungen verdrängt.
Aus mehreren Gründen ist dies recht-
lich problematisch und im Ergebnis
leider nicht umsetzbar: Zum einen be-
schränkt das Betriebsverfassungsgesetz
derartige umfassende Gestaltungsmög-
lichkeiten der Betriebsparteien. Der
Betriebsrat kann mit dem Arbeitgeber
im Bereich der sogenannten „materi-
ellen Arbeitsbedingungen“, zu denen
auch der Urlaub gehört, keine rechtlich
wirksamen Betriebsvereinbarungen ab-
schließen (tarifliche Regelungssperre in
§ 77 Abs. 3 BetrVG). Zu den materiellen
Arbeitsbedingungen gehören auch ar-
beitsvertragliche Ausschlussfristen und
die Differenzierung zwischen gesetz-
lichen und vertraglichen Urlaubsansprü-
chen; also auch insgesamt Regelungen,
wie sie in den Musterformulierungen
im nebenstehenden Kasten vorgeschla-
gen werden. Zum zweiten ist eine „Ver-
schlechterung“ von arbeitsvertraglich
günstigeren Regelungen durch eine Be-
triebsvereinbarung aufgrund des gesetz-
lich geltenden „Günstigkeitsprinzips“
ohnehin nicht möglich.
Verfallklausel im Aufhebungsvertrag
Bei Beendigungsvereinbarungen sollte
stets klargestellt werden, dass der Ur-
laub tatsächlich in natura gewährt und
genommen wurde, etwa durch folgende
Formulierung: „Die Parteien sind sich ei-
nig, dass die dem Mitarbeiter zustehen-
den Resturlaubsansprüche tatsächlich
in natura gewährt und genommen wur-
den“. Unabhängig hiervon ist auch die
Aufnahme von Abgeltungs-, beziehungs-
weise Erledigungsklauseln, zumindest
im Hinblick auf die dem Arbeitnehmer
zustehenden finanziellen Ansprüche,
etwa wie folgt formuliert zu empfehlen:
„Die Parteien sind sich einig, dass mit
diesem Vergleich sämtliche finanziellen
Ansprüche (entweder zwischen den Par-
teien oder des Arbeitnehmers), unab-
hängig vom Rechtsgrund aus Anlass der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
ob bekannt oder unbekannt, abgegolten
und erledigt sind.“
Diese Musterformulierungen tragen der aktuellen Rechtslage zum Urlaubsrecht Rech-
nung und sollen gerade die Fristen für einen Urlaubsverfall einschätzbar machen.
1. Der Arbeitnehmer erhält kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen, wobei
hiervon 20 Tage gesetzlicher Urlaub und zehn Tage vertraglicher Urlaub sind. Arbeitstage sind
alle Tage, die weder Samstage noch Sonntage oder am Arbeitsort gesetzliche Feiertage sind.
2. Der Urlaub wird in Abstimmung mit der Geschäftsführung unter Berücksichtigung der beidersei-
tigen Interessen festgelegt. Der Arbeitnehmer hat die Geschäftsführung rechtzeitig über seine
Urlaubspläne zu informieren.
3. Der vertragliche Urlaub wird anteilig, das heißt pro Monat in Höhe von einem Zwölftel gewährt.
4. Im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt eine etwaige Urlaubsabgeltung nur bis
zur Höhe des gesetzlichen Urlaubs. Der vertragliche Urlaub wird nicht abgegolten.
5. Der gesamte Urlaub ist grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Wenn der Arbeit-
nehmer Urlaub nimmt, wird damit zuerst der Anspruch auf gesetzlichen Urlaub erfüllt, danach
der Anspruch auf vertraglichen Urlaub.
6. Der vertragliche Urlaub ist bis 31. Dezember eines jeden Jahres zu nehmen und erlischt in
jedem Fall am 31. Dezember ohne Übertragungsmöglichkeit. Insbesondere wird der Arbeitneh-
mer darauf hingewiesen, dass auch ein etwaig angesammelter Resturlaubsanspruch in dem
Kalenderjahr, in dem der Arbeitnehmer als arbeitsfähig wieder zurückkehrt, zu nehmen ist.
Soweit ein angesammelter Resturlaubsanspruch im Kalenderjahr tatsächlich genommen werden
kann, jedoch nicht genommen wird, verfällt er.
7. Der gesetzliche Urlaub kann auf das Folgejahr übertragen werden, wenn dies dringende be-
triebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe rechtfertigen. In diesem Fall
muss der gesetzliche Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres genommen werden.
8. Der gesetzliche Urlaub kann jedoch über den 31. März des Folgejahrs hinaus noch genommen
werden, wenn der Arbeitnehmer insbesondere wegen Arbeitsunfähigkeit nicht die Möglichkeit
hatte, seinen gesetzlichen Urlaub bis dahin zu nehmen. In diesem Fall verfällt der gesetzliche
Urlaub spätestens nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Kalenderjahrs, in dem der
gesetzliche Urlaubsanspruch entstanden ist.
9. Der Arbeitnehmer darf während des Urlaubs keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Im Falle einer
unwiderruflichen Freistellung wird die Freistellungszeit auf etwaige Urlaubsansprüche und
andere Ansprüche auf Ausgleich von Arbeitszeitguthaben (zum Beispiel aus flexiblen Arbeits-
zeitkonten) angerechnet.
So beugen Sie dem Urlaubsstreit vor
Praxisbeispiel
Mustertext
Marco Ferme
ist Fach-
anwalt für Arbeitsrecht bei
Beiten Burkhardt Rechtsan-
waltsgesellschaft in München.