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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Entlastung zu geben und den Sachver-
halt aufzuklären. Deshalb muss der
Arbeitnehmer auch die Möglichkeit er-
halten, bestimmte zeitlich und räumlich
eingegrenzte Tatsachen bestreiten zu
können oder den Verdacht entkräftende
Tatsachen zu benennen und Gelegen-
heit zur Aufhellung der Geschehnisse
erhalten. Nach einer Entscheidung des
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom
16.12.2010, Az. 2 SA 2023/10) reicht es
dabei nicht, ihn mit einem Vorwand in
die Anhörung zu locken und mit Infor-
mationen, die zu einer Kündigung füh-
ren könnten, zu überrumpeln.
Deshalb sollte bereits die Einladung
des Arbeitnehmers zur Anhörung den
Gegenstand des Gesprächs beinhal-
ten und ihn in die Lage versetzen, eine
Vertrauensperson hinzuzuziehen. Der
Arbeitgeber, der handwerklich unan-
greifbar agieren möchte, bereitet bereits
dieses Anhörungsschreiben ordentlich
vor und stellt die wesentlichen Ver-
dachtsmomente schriftlich dar.
Was tun bei Verzögerungstaktik?
Bleibt der Arbeitnehmer der Anhörung
fern oder verzögert er diese, gerät der
Arbeitgeber in eine Zwickmühle. Zwar
wird durch die Anhörung des Arbeit-
nehmers die Zwei-Wochen-Frist des
§ 626 Abs. 2 BGB gehemmt. Nach der
Rechtsprechung des BAG (Urteil vom
31.3.1993, Az. 2 AZR 492/92) hat der
Arbeitnehmer jedoch in der Regel nur
eine Woche Zeit, auf Verdachtsmomente
und die Aufforderung zur Stellungnah-
me zu reagieren. Verweigert der Arbeit-
nehmer von vornherein die Teilnahme
an der Anhörung oder erscheint er, gibt
aber zu den Vorwürfen keine Stellung-
nahme ab oder verweigert er jegliche
Aussage, hat der Arbeitgeber zumindest
die an ihn gestellten formellen Voraus-
setzungen erfüllt. Der Arbeitgeber kann
jetzt die Verdachtskündigung ausspre-
chen, da er seiner Pflicht zur Anhörung
des Arbeitnehmers in ausreichendem
Maße nachgekommen ist. Das BAG sieht
eine Anhörung in derartigen Fällen als
überflüssig an (Urteil vom 13.3.2008,
Az. 2 AZR 961/06).
Will der Arbeitnehmer für die Anhö-
rung ausdrücklich einen Rechtsanwalt
hinzuziehen, sollte ihm dies in jedem
Fall gestattet werden. Hat der Rechts-
anwalt nach eigener Aussage innerhalb
der Regelfrist von einer Woche keinen
Termin mehr frei, führt dies zu einer Ver-
längerung dieser Frist.
Anhörung bei Krankheit oder Urlaub
Schwierig ist die Beurteilung einer ord-
nungsgemäßen Anhörung, wenn der
Arbeitnehmer erkrankt ist oder sich im
Urlaub befindet. Von einer fehlenden An-
hörungsfähigkeit ist nämlich nicht von
vornherein auszugehen, wenn der Ar-
beitnehmer krankheitsbedingt arbeits-
unfähig ist (LAG Hessen, Urteil vom
10.12.1979, Az. 11 Sa 544/79). Vielmehr
hat der Arbeitgeber durch Nachfrage bei
dem Arbeitnehmer zu ermitteln, ob die-
ser in der Lage ist, Fragen zu den gegen
ihn erhobenen Vorwürfen zu beantwor-
ten. Anderenfalls läuft er Gefahr, die
Zwei-Wochen-Frist zu versäumen. Nur
wenn die Erkrankung tatsächlich eine
Stellungnahme unmöglich macht, tritt
eine Hemmung der Regelfrist ein. Gibt
der Arbeitnehmer keine Auskunft über
seine Erkrankung, spricht dies eher da-
für, dass er sich nicht äußern möchte,
was zwar nicht zu einer Hemmung der
Regelfrist führt, aber eine weitere Anhö-
rung entbehrlich machen kann. Sicher-
heitshalber sollte der Arbeitgeber den
Arbeitnehmer daher auf diese Rechtsfol-
ge aufmerksam machen.
Bei einer urlaubsbedingten Abwesen-
heit ist ebenfalls zu überprüfen, ob sich
der Arbeitnehmer zu dem bestehenden
Verdacht überhaupt äußern kann. Ver-
weigert der Arbeitnehmer wegen seines
Urlaubs pauschal die Teilnahme an der
Anhörung oder ist deshalb nicht erreich-
bar, wird eine Hemmung der Frist aus
§ 626 Abs. 2 BGB und der Anhörungs-
frist angenommen.
Dr. Martin Römermann
ist Partner bei SKW Schwarz
Rechtsanwälte in Berlin.
Checkliste
Begründetheit einer
Verdachtskündigung (HI556113)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE
HPO
Der Arbeitgeber ist im Streitfall beweispflichtig, dass er den Sachverhalt vor Aus-
spruch einer Verdachtskündigung ausreichend aufgeklärt hat. Daher lohnt es sich,
den Vorgang genau und schriftlich festzuhalten.
Die Dokumentation sollte mit der Ladung zur Anhörung beginnen, aus der sich schon
eine hinreichend bestimmte Schilderung der Verdachtsmomente ergibt. Wichtig ist es,
der Anforderung nachzukommen, dass der Arbeitgeber aufkommenden Verdachtsmo-
menten sofort nachzugehen hat. Er sollte vermerken, wann er von welchen Verdachts-
momenten erfahren und welche Ermittlungen er unverzüglich eingeleitet hat. Dabei
sollte er dokumentieren, dass auch entlastende Sachverhaltsangaben ermittelt wurden
und diesen nachgegangen worden ist. Am wichtigsten bleibt, dass der Arbeitnehmer
zu Verdachtsmomenten angehört und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben
wurde. Dies kann durch eine ausführliche schriftliche Anhörung bewiesen werden.
Diese muss die wesentlichen Verdachtsmomente und die diesen Verdachtsmomenten
zugrunde liegenden Tatsachen beinhalten.
Wer richtig dokumentiert, ist im Vorteil
Praxisbeispiel
Hinweis