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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
für eine vorläufige Einstellung aner-
kannt (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
10.6.2010, Az. 6 Ta BV 10/10).
Wer der beste Bewerber ist,
entscheidet allein der Arbeitgeber
Die gute Nachricht für den Recruiter
ist jedoch, dass der Betriebsrat nicht
uneingeschränkt oder ins Blaue hinein
seine Zustimmung zu der Einstellung
verweigern darf. Insbesondere darf der
Betriebsrat nicht seine Zustimmung ver-
weigern, weil er der Meinung ist, ein Be-
werber sei nicht qualifiziert genug oder
aus anderen Gründen nicht geeignet für
die Stelle. Vielmehr ist der Arbeitgeber
in seiner Auswahlentscheidung grund-
sätzlich frei. Mit anderenWorten: Er darf
den nach seiner Meinung besten Kandi-
daten auswählen. Etwas anderes gilt nur
dann, wenn mit dem Betriebsrat so ge-
nannte Auswahlrichtlinien abgeschlos-
sen wurden (§ 95 BetrVG).
Leider kommen Unternehmen den-
noch häufig in die unschöne Lage, dass
sie den ausgewählten Bewerber nicht
einstellen können. Dies liegt meist ent-
weder daran, dass sie den Betriebsrat
nicht ordnungsgemäß über die beabsich-
tigte Einstellung unterrichtet haben oder
dass der Betriebsrat sich erfolgreich auf
einen der im Gesetz abschließend ge-
nannten Zustimmungsverweigerungs-
gründe berufen kann.
Häufige Fehlerquelle: Unvollständige
Unterrichtung des Betriebsrats
Häufige Fehlerquelle ist die nicht ord-
nungsgemäße Unterrichtung des Be-
triebsrats über die geplante Einstellung.
Solange diese unvollständig oder nicht
abgeschlossen ist, beginnt die für den
Betriebsrat geltende Zustimmungsver-
weigerungsfrist (eine Woche) nicht und
der Arbeitgeber darf schon deshalb die
Einstellung nicht vornehmen.
Neben Angaben zu der zu besetzenden
Stelle sind dem Betriebsrat nicht nur die
Bewerbungsunterlagen des ausgewähl-
ten Bewerbers vorzulegen, sondern auch
diejenigen der nicht berücksichtigten
Bewerber. Werden nur die Namen der
weiteren Bewerber genannt, ohne deren
Bewerbungsunterlagen zu übermitteln,
macht dies die Unterrichtung des Be-
triebsrats unvollständig. Dies gilt selbst
dann, wenn der Arbeitgeber einen un-
ternehmens- beziehungsweise konzern-
internen Bewerber aus einem anderen
Betrieb oder Konzernunternehmen ein-
stellen will und aufgrund von Gesamt-
oder Konzernbetriebsvereinbarungen
dem ausgewählten Bewerber Vorrang
vor allen anderen Bewerbern geben
musste – also letztendlich aufgrund von
Vereinbarungen mit Gesamtbetriebsrä-
ten oder dem Konzernbetriebsrat ver-
pflichtet war, den anvisierten Bewerber
auszuwählen (zuletzt LAG Nürnberg,
Urteil vom 24.4.2012, Az. 6 TaBV 60/11).
In Großbetrieben ist diese Anforde-
rung praktisch mit sehr großem, auch
von den Betriebsräten nicht immer ge-
wünschten Aufwand verbunden. Daher
empfiehlt es sich für die betriebliche
Praxis, mit dem Betriebsrat Abreden da-
rüber zu treffen, ob und wie detailliert
ihm Bewerbungsunterlagen nicht be-
rücksichtigter Bewerber vorgelegt wer-
den sollen.
Wichtig: Fehlende Informationen
­können nachgeholt werden
Das Bundesarbeitsgericht hat erfreuli-
cherweise erklärt, dass der Arbeitgeber
noch während des Zustimmungserset-
zungsverfahrens fehlende Informationen
nachholen oder ursprünglich unzutref-
fende Informationen korrigieren kann.
Dem Betriebsrat gegenüber muss nur
Serie
· Ausgabe 08/2012: Die Ausschreibung und das AGG
·
Ausgabe 09/2012: Aspekte der Mitbestimmung des Betriebsrats
· Ausgabe 10/2012: Sonderregeln zur Schwerbehinderung
· Ausgabe 11/2012: Vorvertragliche Vereinbarungen und Probezeitverträge
Bei Einstellungen muss der Betriebsrat zustimmen. Wie detailliert der Betriebsrat zu
unterrichten ist, das ist eine Facette unserer Serie zu „Rechtsfragen im Recruiting“.
klar kommuniziert werden, dass der Ar-
beitgeber mit der zusätzlichen Informa-
tion seine Unterrichtung (nachträglich)
ergänzen beziehungsweise korrigieren
will. Das heißt: Auch fehlende Bewerber-
unterlagen können im Zustimmungser-
setzungsverfahren nachgereicht werden.
Verstoß gegen das Gesetz als Grund
für einen Widerspruch
Der Betriebsrat kann der Einstellung
des Bewerbers insbesondere dann wi-
dersprechen, wenn sie gegen ein Ge-
setz verstoßen würde (§ 99 Abs. 2
Nr. 1 BetrVG). Angesichts der zuneh-
menden arbeits- und sozialrechtlichen
Regelungsdichte liegt in diesem Zustim-
mungsverweigerungsgrund ein nicht
zu unterschätzender Fallstrick, wie die
folgenden neueren Beispiele aus der
Rechtsprechung zeigen: So ist etwa der
Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet,
zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit
schwerbehinderten Menschen, insbe-
sondere mit bei der Agentur für Arbeit
arbeitslos oder arbeitssuchend gemel-
deten schwerbehinderten Menschen,
besetzt werden können. Hierzu hat er
frühzeitig Verbindung mit der Agentur
für Arbeit aufzunehmen, diese soll dem
Arbeitgeber dann geeignete schwerbe-
hinderte Menschen vorschlagen (§ 81
SGB IX). Möchte ein Arbeitgeber nun
einen Bewerber einstellen, ohne dass
er bei der Agentur für Arbeit eine ent-
sprechende Anfrage gestellt hat, läuft er
Gefahr, dass der Betriebsrat der Einstel-
lung des Bewerbers erfolgreich mit der
Begründung widerspricht, dass die Ein-
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