personalmagazin 09 / 12
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Management
_Stressmanagement
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
duellen Stressoren und auf der anderen
Seite das persönliche Stressverhalten
auf. Zunächst ist es wichtig, den eigenen
Status quo zu kennen, um Stress vorzu-
beugen und zu bewältigen. Denn was
den einen negativ stresst, beflügelt den
anderen. Es gilt herauszufinden, welche
Stressoren dem Einzelnen persönlich
wirklich zu schaffen machen. Die Belast-
barkeit eines Menschen hängt unter an-
derem davon ab, wie viele Erfahrungen
ein Mensch schon mit schwierigen Situ-
ationen gemacht hat. Wer bisher wenige
Herausforderungen meistern musste,
verfällt schnell inHilflosigkeit. Damit kor-
reliert aber auch das Stressverhalten. Wa-
rum reagiere ich in der einen stressigen
Situation negativ und in der anderen po-
personalmagazin:
Die psychische Gesund-
heit der Mitarbeiter ist in den Fokus
vieler Unternehmen gerückt. Wie viel
kann die Schulung in Stressmanagement
dazu beitragen?
Sylvia Kéré Wellensiek:
Zunächst einmal bin
ich von allen Maßnahmen begeistert, die
die psychische Gesundheit der Mitarbei-
ter unterstützen. Allerdings ist allein das
Stressmanagement eine zu kleine Maß-
nahme für dieses riesige Thema. Unter-
nehmen dürfen das Stressmanagement
nicht nur als kleines Trostpflaster für die
Mitarbeiter einsetzen. Sie müssen das
Thema ganzheitlich angehen. Deswegen
setze ich mich dafür ein, die Resilienz im
Unternehmen zu fördern.
personalmagazin:
Was genau verstehen Sie
unter „Resilienz“?
Wellensiek:
Für diesen Begriff gibt es
keine allgemein gültige Definition. Sie
wird als Synonym für Belastbarkeit, Fle-
xibilität oder Widerstandsfähigkeit ver-
wendet. Es geht darum, wie ein System
die von innen oder außen kommenden
Störungen, wie Krankheiten, Überbela-
stungen oder Krisen, ausgleichen kann.
personalmagazin:
Resilienz bezieht sich
also nicht nur auf den einzelnen Mit-
arbeiter, sondern auch auf das ganze
Unternehmen?
Wellensiek:
Genau, Resilienz betrachtet
drei Ebenen. Die erste Ebene ist der
Mensch mit seiner persönlichen Hal-
tung. Dabei ist das Stressmanagement
nur ein Teilaspekt. Es geht vielmehr da-
rum, herauszufinden, wie aktiv der Ein-
zelne mit Veränderungen umgeht. Wer
nur auf Veränderungen reagiert statt sie
selbst zu gestalten, ist nicht langfristig
gegen Widerstände gefeit.
personalmagazin:
Und worum geht es bei
den anderen beiden Ebenen?
Wellensiek:
Die zweite Ebene befasst sich
mit den sozialen Ressourcen in der
Zusammenarbeit: Besteht eine offene
Arbeitsplatzkultur? Können die Füh-
rungskräfte realistisch einschätzen, wie
belastbar ihre Mitarbeiter sind und wo
die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit
liegen? Die dritte Ebene ist die organi-
sationale. Hier hinterfragt man, wie die
Prozesse im Unternehmen die Resilienz
unterstützen können und welche Struk-
turen dies verhindern.
personalmagazin:
Welche Strukturen sind
hier hinderlich?
Wellensiek:
Das kann ganz unterschiedlich
sein. Die meisten strukturellen Schwie-
rigkeiten bestehen an den Schnittstellen
zwischen Teams und Abteilungen. Oft
denkt man, dass Prozesse im Unterneh-
„Mehr als ein Trostpflaster“
Interview
Stressmanagement kann ein erster Schritt hin zu einem resilienten Unternehmen sein.
Warum das allein aber noch nicht ausreicht, erklärt die Trainierin Sylvia Kéré Wellensiek.
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva
.
men nicht schnell und flexibel genug
laufen, weil einzelne Mitarbeiter nicht
genug Leistung bringen. Wenn man sich
dann die Strukturen einmal genauer an-
sieht, merkt man oft, dass die Mitarbei-
ter die von ihnen geforderte Leistung gar
nicht erbringen können, weil die struk-
turellen Voraussetzungen nicht gegeben
sind. Ich habe es schon erlebt, dass allein
ein gutes PC-Programm, das der erhöh-
ten Arbeitsgeschwindigkeit Rechnung
trägt, viele Probleme lösen kann.
personalmagazin:
Woran erkennt man, dass
ein Unternehmen einen Resilienzprozess
anstoßen sollte, also nicht ausreichend
widerstandsfähig ist?
Wellensiek:
Dafür kann man sich zunächst
die üblichen Kennzahlen ansehen: Eine
hohe Fluktuationsquote, ein erhöhter
Krankenstand und vor allem ein ausge-
prägter Präsentismus sind Warnsignale.
Um sich zu einem resilienten Unterneh-
men zu entwickeln, bedarf es aber auch
dem vorausschauenden Denken. Wenn
das Unternehmen auf eine Krise zusteu-
ert, muss man frühzeitig Maßnahmen
ergreifen, damit sich die Mitarbeiter auf
die Veränderungen einstellen und aktiv
daran mitarbeiten können.
sylvia Kéré
Wellensiek
Die Resilienzexper-
tin leitet die Human
Balance Training
Akademie.