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personalmagazin 11 / 12
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Recht
_vergütung
Dr. Barbara Bittmann
ist Partnerin und Fachanwäl-
tin für Arbeitsrecht bei CMS
Hasche Sigle in Düsseldorf.
Dr. Susanne Mujan
ist
Rechtsanwältin und Fachan-
wältin für Arbeitsrecht bei CMS
Hasche Sigle in Düsseldorf.
1. Keine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt
Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalte, die in der Praxis immer wieder gemeinsam
anzutreffen sind, schließen sich gegenseitig aus. Einen solchen doppelten Vorbehalt
hält das BAG in ständiger Rechtsprechung für unwirksam. Vermeiden Sie kombinierte
Formulierungen wie „freiwillig und jederzeit widerruflich“.
2. Die Freiwilligkeit stets wiederholen
Sofern Sie sich Flexibilität sichern und vermeiden wollen, dass Mitarbeiter, denen Sie
mehrmals hintereinander eine Leistung gewähren, einen Rechtsanspruch hierauf auch
für die Zukunft erwerben (betriebliche Übung), hilft es Ihnen – anders als bis noch vor
einem Jahr – nicht mehr, im Arbeitsvertrag einen umfassenden Freiwilligkeitsvorbehalt
aufzunehmen (BAG, Urteil vom 14.9.2011, Az. 10 AZR 526/10). Um eine betriebliche
Übung zu vermeiden, sollten Sie daher bei jeder Leistung, die Sie als freiwillige Leistung
verstanden wissen wollen, im Zeitpunkt der Leistungsgewährung hinreichend klar
zum Ausdruck bringen, dass Sie die Entstehung eines Anspruchs auf künftige Zahlung
ausschließen wollen. Auf das laufende monatliche Entgelt darf sich aber auch ein solcher
Freiwilligkeitsvorbehalt nicht beziehen (so schon BAG, Urteil vom 25.04.2007, Az. 5 AZR
627/06).
3. Entscheidungsvorbehalt in Betriebsvereinbarung aufnehmen
Hingegen kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt in einer Betriebsvereinbarung wirksam
sein, die Bonusvoraussetzungen und -verfahren regelt, aber die Gewährung von
Boni von der Entscheidung der Geschäftsleitung, zum Beispiel jeweils zu Beginn des
Folgejahres, abhängig macht. So wurde es jedenfalls vom BAG zuletzt entschieden
(BAG, Urteil vom 13.12.2011, Az. 1 AZR 508/10), ohne allerdings die Wirksamkeit des
Freiwilligkeitsvorbehalts zu problematisieren.
4. Die Widerrufsgründe nennen
Als Alternative zum Freiwilligkeitsvorbehalt kommt auch weiterhin eine Widerrufs-
klausel in Betracht. Das BAG fordert zwar, dass der Widerrufsvorbehalt zumutbar
sein muss. Hierfür genügt aber, dass die Voraussetzungen und der Umfang des
möglichen Widerrufs genannt werden. Anzugeben ist zumindest die Richtung, aus
der der Widerruf möglich sein soll, wie etwa die Bezeichnung – möglichst konkreter
– wirtschaftlicher Gründe (zum Beispiel Umsatzrückgang in bestimmter Höhe).
Einen allgemeinen Verweis auf „wirtschaftliche Gründe“ ohne nähere Spezifizierung
hat das BAG in einer Entscheidung für unzureichend gehalten (BAG, Urteil vom
13.4.2010, Az. 9 AZR 113/09; weniger streng aber BAG, Urteil vom 21.3.2012, Az. 5
AZR 851/10). Der Widerruf sollte sich maximal auf 25 Prozent der Gesamtvergütung
beziehen, weil andernfalls in unzulässiger Weise in den Kernbereich des Arbeitsver-
hältnisses eingegriffen würde (BAG, Urteil vom 11.10.2006, Az. 5 AZR 721/05).
5. Bonuszusagen befristen
Eine noch höhere Flexibilität verspricht die Befristung von Bonuszusagen. Sie ist nach
aktueller Rechtsprechung zulässig, sofern sie angemessen beziehungsweise durch
einen sachlichen Grund gerechtfertigt und transparent formuliert ist (LAG Hessen,
Urteil vom 1.6.2012, Az. 14 Sa 553/11).
Mit diesen Instrumenten können Sie verhindern, dass ein Bonusversprechen zur
„Ewigkeitsgarantie“ wird, sofern die Regeln des BAG eingehalten werden.
Fünf Goldene Bonusregeln
Tipp
seln daher nur noch bei reinen Treueprä-
mien vor. Nehmen Sie keinen Hinweis
auf die persönliche Leistung oder das
Unternehmensergebnis auf. Gestalten
Sie die Treueprämie inhaltlich unabhän-
gig vom leistungsbezogenen Bonus und
verfassen Sie eigene Zusageschreiben
für die jeweilige Bonusart. Bezeichnen
Sie die Zahlung ausdrücklich als „Treue­
prämie“, „Retention-Bonus“ oder „Halte-
prämie“.
Fehlzeiten adressieren
Häufig kommt es zu Unsicherheiten,
wenn der Arbeitgeber den Bonus wegen
Fehlzeiten nicht oder nur gekürzt aus-
zahlen will. Grundsätzlich ist es zuläs-
sig, eine anteilige Kürzung des Bonus für
bestimmte Fehlzeiten vorzusehen, sofern
dies nicht Zeiten des Erholungsurlaubs,
einer unverschuldeten Arbeitsunfähig-
keit (bis zum Ablauf der sechswöchigen
gesetzlichen Entgeltfortzahlung) oder des
Mutterschutzes betrifft. Für andere Fehl-
zeiten etwa wegen Elternzeit, sind Kür-
zungsklauseln aber möglich.
Wie geht es weiter?
Über folgende Fragen stehen noch
höchstrichterliche Entscheidungen aus:
Sind Ausnahmen für Spitzenverdie-
ner zu machen? Gelten die bisherigen
Grundsätze auch für die Banken- und
Versicherungsbranche, die unter einem
besonderen Regime (etwa der Instituts-
vergütungsverordnung) stehen? Sind
Verfallklauseln im Rahmen der Warte-
zeit bei Aktienoptionen weiterhin zu-
lässig? Welche Mechanismen können in
Tarifverträgen geregelt werden?
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an