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Recht
_Recruiting
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Drum prüfe, wer sich ewig bindet
Serie.
Auch wenn der Bewerber den Vertrag bereits unterschrieben hat: Bis zum
Dienstantritt kann noch einiges schiefgehen. Personaler müssen gewappnet sein.
Von
Steffen Scheuer
und
Esther Holzinger
H
at sich ein Arbeitgeber für
einen Bewerber entschieden
und diesem eine verbindliche
Zusage erteilt, liegt unter
Umständen bis zum eigentlichen Dien-
stantritt eine mehr oder weniger lange
Zeitspanne. Ob der ausgesuchte Arbeit-
nehmer dann tatsächlich die in ihn ge-
setzten Erwartungen erfüllen wird, ist
ein Risikofaktor, dem schon vom Gesetz-
geber dadurch Rechnung getragen wird,
dass in den ersten sechs Monaten das
Kündigungsschutzgesetz keine Anwen-
dung findet. Es ist zudem ratsam, sich
Gedanken über die Frage zu machen,
wie eine Probezeit konkret ausgestaltet
werden könnte und ob auch schon für
den Zeitraum vor der eigentlichen Erpro-
bung spezielle vorvertragliche Verein-
barungen geschlossen werden können,
um bestimmte Risiken auch für diesen
Zeitraum abzudecken.
Preisgabe von Betriebsinterna im
Bewerbungsgespräch
Dem Bewerber soll häufig schon vor
Dienstbeginn ein umfassender Eindruck
vom Unternehmen und der zu beset-
zenden Stelle vermittelt werden. Es stellt
sich für Personalverantwortliche daher
häufig die Frage, ob im Bewerbungsge-
spräch manchmal sogar Betriebsinterna
preisgegeben werden sollten.
Das Bewerbungsgespräch dient dazu,
einen Arbeitnehmer zu finden, der nach
seiner fachlichen und persönlichen Qua-
lifikation für die zu besetzende Stelle ge-
eignet ist. Der Bewerber möchte mithilfe
des Bewerbungsgesprächs ermitteln, ob
die ausgeschriebene Stelle seinen Vor-
stellungen entspricht. Daher ist es für
beide Parteien wichtig, im Bewerbungs-
gespräch konkrete Fragen zum Unter-
nehmen und zu der im Raum stehenden
Stelle zu besprechen.
Wird anschließend (noch) kein Ar-
beitsvertrag geschlossen, stellt sich die
Frage, inwieweit der Bewerber trotz des
fehlenden Vertragsschlusses zur Ver-
schwiegenheit über Betriebsinterna, die
er während des Bewerbungsgesprächs
erfahren hat, verpflichtet ist.
Dazu ist zunächst festzuhalten: Den
Bewerber trifft im Stadium der Ver-
tragsanbahnung, das bei einem Be-
werbungsgespräch gegeben ist, eine
vorvertragliche Verschwiegenheits-
pflicht. Verstößt der Bewerber gegen
diese, begründet dies einen Schadener-
satzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 311
Abs. 2, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetz-
buch (BGB) und, soweit der Betreffende
unlauteren Wettbewerb betreibt, aus
§ 1 Gesetz gegen den unlauteren Wett-
bewerb (UWG) in Verbindung mit § 823
Abs. 2 BGB. Das praktische Problem ist
jedoch: Durchsetzbar wäre ein solcher
Anspruch nur dann, wenn es demArbeit-
geber gelänge, einen tatsächlichen Scha-
den nachzuweisen. Das ist oft schwierig.
Ferner ist die Verschwiegenheitspflicht
vielen Bewerbern gar nicht bewusst.
Ein „Non Disclosure Agreement“ will
gut überlegt sein
Aus diesemGrund könnte man erwägen,
vor Beginn des Vorstellungsgesprächs ei-
ne Verschwiegenheitsvereinbarung (so-
genanntes „Non Disclosure Agreement“)
mit dem Bewerber zu vereinbaren. Diese
kann unter Umständen verhindern, dass
der Bewerber, zum Beispiel aus Enttäu-
schung über seine Absage, Betriebsin-
terna an Konkurrenzunternehmen
weitergibt. Um die Durchsetzbarkeit
einer derartigen Vereinbarung zu er-
höhen, kann auch eine Vertragsstrafe
mit aufgenommen werden. Der Vorteil:
Ein konkreter Schaden muss dann nicht
mehr nachgewiesen werden. Der Nach-
teil: Eine solche Vorgehensweise bereits
vor Beginn des eigentlichen Bewer-
bungsgesprächs kann unter Umständen
mit einem Reputationsverlust am Bewer-
Serie
· Ausgabe 08/2012: Die Ausschreibung und das AGG
· Ausgabe 09/2012: Aspekte der Mitbestimmung des Betriebsrats
· Ausgabe 10/2012: Sonderregeln zur Schwerbehinderung
· Ausgabe 11/2012:
Vorvertragliche Vereinbarungen und Probezeitverträge
Gibt es Alternativen zur Probezeit? Was ist in der Zeit zwischen Zusage und Dienstbeginn
zu beachten? Lesen Sie den letzten Teil unserer Serie zu Rekrutierungsfragen.