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Das Interview führte
Michael Miller
.
personalmagazin:
Welche konkreten Instru-
mente stehen zur Verfügung?
Jent:
Die Arbeitsergebnisse lassen sich
optimieren, indem Arbeitgeber mittels
des von uns entwickelten Instruments
„Diversity Optima“ ihre Mitarbeiter ge-
zielt heterogen zusammenstellen. In die-
sen sogenannten Arbeitspartnerschaften
multiplizieren sich die positiven Effekte,
entlang der drei Dimensionen „Wissen“,
Rollen“ und „komparativeKompetenzen“,
also den besonderen Fähigkeiten, die bei-
spielsweise auf eine Behinderung oder
Nichtbehinderung zurückzuführen sind.
Die Hemmnisse, also etwa eine Behinde-
rung, kommen so kaum noch zum Tra-
gen.
Dietsche:
Hierzu ist jedoch ein Paradig-
menwechsel von der Defizitorientierung
hin zur Ressourcenorientierung uner-
lässlich. Gerade die Kategorisierung in
„Leister“ und „Minderleister“ zeigt die
Notwendigkeit eines solchen Wechsels.
Oder haben Sie schon einen nichtbe-
hinderten Minderleister gesehen? Men-
schen mit einer Behinderung dichotom
abzugrenzen von Menschen ohne Behin-
derung ist zumindest fragwürdig.
Regula Dietsche
ist Co-Leiterin des Diver­
sity-­Centers am Institut für Führung und
Personalmanagement und der Angewandten
Forschung am „Center for Disability and Inte-
gration“, beides an der Uni St. Gallen.
personalmagazin:
Arbeiten Sie auch mit
dem Instrument „Diversity Optima“?
Dietsche:
Ja. Die Arbeitspartnerschaft
von Nils und mir ist gelebte Diversity.
Im Vergleich zur Gleichstellung nutzen
wir die Verschiedenartigkeit. Zu Beginn
sah ich auch eher die Nachteile. Mit der
Zeit eröffnete sich mir aber zunehmend
ein innovativer Blickwinkel und ich
profitiere von Nils. Nicht nur durch die
gepriesene Sozialkompetenzerweite-
rung durch Behinderte. Rein fachlich
erschließen sich neue Zusammenhän-
ge, die Effizienz weicht zum Teil zu-
gunsten einer erhöhten Effektivität, die
anfänglichen Einschränkungen entpup-
pen sich als wahre Innovationsschmet-
terlinge. Den schnellen Weg zu dieser
Erfahrung gibt es aber nicht. Man muss
es erleben.
Jent:
Daher sollten Unternehmen mehr
konkrete Erfahrungen mit Menschen
mit Behinderung machen und das The-
ma aufgreifen. Das geht ausschließlich
Top Down mit einer starken Willensbe-
kundung und Verankerung im Board.
Dietsche:
Das Potenzial der nutzenstif-
tenden Inklusion von Behinderung und
chronischer Krankheit in Arbeitspro-
zesse kann sich nicht entfalten, solange
Behinderungen zwar ernst genommen,
aber letztlich doch in den kulturellen
Taburäumen des Personalmanagements
beziffert, gelöst und einer sogenannten
Normalität zugeführt werden.