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derung sei vor allem eine Inklusions-
frage in bestehende Sozialsysteme, sagt
Dietsche. Dabei müsse vermieden wer-
den, Menschen mit Behinderung dort
einzusetzen, wo Mitarbeiter ohne Behin-
derung besser sind, ergänzt Jent, selbst
seit seinem 19. Lebensjahr blind und auf
den Rollstuhl angewiesen. Für die Wis-
senschaftler ist ein Paradigmenwechsel
nötig, weg von der Defizitorientierung.
Stärken erkennen
Es zählt primär also nicht der Blick auf
die Schwäche und der Versuch, diese
auszugleichen. Vielmehr müssen Un-
ternehmen gerade bei Beschäftigten mit
Behinderung deren Stärken suchen und
sie gezielt einsetzen. Ein Beispiel dafür
liefert die IT-Firma Auticon, die Men-
schen mit Asperger-Autismus beschäf-
tigt und deren spezifische Stärken nutzt.
Die Konzentrationsfähigkeit und Detail-
genauigkeit sind Vorteile, wenn sie Soft-
ware testen. Daher leisten sie für andere
Menschen eintönige Arbeit produktiver.
Die Vorzüge von Beschäftigten mit
Behinderung betont auch der Behinder-
tenbeauftragte der Bundesregierung, Hu-
bert Hüppe: „Viele behinderte Menschen
sind gut, teilweise sogar besser als ande-
re qualifiziert, ihr Potenzial wird auf dem
Arbeitsmarkt aber noch viel zu wenig
beachtet.“ Gerade kleinere Betriebe gel-
te es zu überzeugen, Menschen mit Be-
hinderung einzustellen. „Das ist für den
Betrieb gewinnbringend und auch volks-
wirtschaftlich sinnvoll“, sagt Hüppe.
Noch scheinen viele Personaler nicht
überzeugt. Letztlich müssen aber sie
Maßnahmen zur beruflichen Inklusion
von Menschen mit Behinderung finden,
denn Themen wie flexible Arbeitszeiten
oder Gesundheitsmanagement sind ty-
pische Handlungsfelder von HR. Wo
besonders Nachholbedarf besteht, zeigt
eine – nicht repräsentative – Umfrage
des CDI unter 78 Vertrauenspersonen
der Schwerbehindertenvertretung in
Hamburger Unternehmen. Gerade bei
Rekrutierung, Führung oder Kultur sind
noch Schwachstellen zu beheben.
n
Verkannte Leistungsträger:
Gerade das Potenzial von
Menschen mit Behinderung
nutzen Betriebe zu selten.