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personalmagazin 11 / 12
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Titel
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menschen mit behinderung
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Bereit zum Durchstarten
überblick.
Wenn Unternehmen Menschen mit Behinderung beschäftigen, geht es oft
nur um die Quote. Zu wenige beachten das Potenzial, das diese Mitarbeiter einbringen.
S
pätestens seit London gehört
Oscar Pistorius zu den weltweit
schnellsten Leichtathleten über
die 400-Meter-Strecke. Als erster
Sportler mit beidbeinig amputierten Un-
terschenkeln hat der Südafrikaner an
den olympischen Spielen – für nichtbe-
hinderte Sportler – teilgenommen.
Pistorius ist ein Beispiel dafür, dass
Menschen mit Behinderung zu den Bes-
ten in ihrem Tätigkeitsbereich zählen
können. Das gilt auch in der Arbeitswelt,
wenn die Rahmenbedingungen für Be-
schäftigte mit Handicap stimmen. Doch
genau darin liegt ein Problem. Denn
häufig sehen Betriebe nicht, welches
Leistungspotenzial in der beruflichen
Inklusion von Menschen mit Behinde-
rung – also der selbstbestimmten und
gleichberechtigten Teilhabe im Berufsle-
ben – schlummert.
Tatsächlich dominieren in Betrieben
beim Thema „Behinderung“ bislang Fra-
gen zu Ausgleichszahlungen oder recht-
lichen Pflichten. All dies sind wichtige
Themen für HR. Gerade die Regeln, die
Arbeitgeber bei der Beschäftigung von
Menschen mit Schwerbehinderung oder
Mitarbeitern, die diesen gleichgestellt
sind, beachten müssen, dürfen in diesem
Zusammenhang nicht zu kurz kommen.
Daher haben wir die wichtigsten Vor-
schriften im Schwerbehindertenrecht
für Sie zusammengefasst (ab Seite 16).
Aber nicht nur Pflichten, auch För-
dermaßnahmen sind für Unternehmen
wichtig. Dazu hat die Bundesregierung
einen nationalen Aktionsplan mit rund
Von
Michael Miller
(Red.)
© image source / getty-images.com
200 Maßnahmen beschlossen, die sie
umsetzen möchte, um die UN-Behin-
dertenrechtskonvention zu erfüllen. Ein
Ziel im Bereich Arbeitsleben ist die bes-
sere Beratung kleinerer Betriebe, um
für mehr Arbeitsplätze für Menschen
mit Schwerbehinderung zu werben. Da-
neben existieren bereits heute zalreiche
Unterstützungsmaßnahmen. Einen
Überblick dazu erhalten Sie ab Seite 22.
Mehr als Pflichterfüllung
Letztendlich müssen Unternehmen bei
der Beschäftigung von Menschen mit
Behinderung aber über das Stadium der
Pflichten- und Quotenerfüllung hinaus-
gehen und die Beschäftigten mutiger
und kreativer eingliedern. Denn abseits
von Moral und Sozialromantik: Eine zu-
nehmende berufliche Inklusion ist be-
reits aufgrund des Fachkräftemangels
ökonomisch sinnvoll.
Das belegt schon ein Blick auf das rei-
ne Zahlenwerk: Momentan leben etwa
9,6 Millionen Menschen mit Behinde-
rung in Deutschland, etwa 11,7 Prozent
der Bevölkerung. Drei Millionen davon
befinden sich im erwerbsfähigen Alter.
Was die Beschäftigung von Menschen
mit Behinderung imBetrieb angeht, liegt
die Quote in der Privatwirtschaft jedoch
lediglich bei 3,7 Prozent, bei der öffent-
lichen Hand immerhin bei 6,1 Prozent.
Wie Beschäftigte mit Behinderungen
das Unternehmen voranbringen, erklä-
ren Regula Dietsche und Dr. Nils Jent
vom „Center for Disability and Integra-
tion“ (CDI) der Universität St. Gallen im
Interview (Seite 26). Die nutzenstiftende
Beschäftigung von Menschen mit Behin-
Definition
Der Grad der Behinderung (GDB) wird von 20 bis 100 in Zehnergraden festgestellt.
Schwerbehinderung:
Ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 wird auf Antrag ein
Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Alle vorhandenen Beeinträchtigungen werden
berücksichtigt. Eine Feststellung des GDB erfolgt durch das Versorgungsamt.
Gleichstellung:
Auf Antrag können Menschen mit einem Grad der Behinderung von
mindestens 30 und weniger als 50 einer Person mit Schwerbehinderung gleichgestellt
werden, wenn sie nach § 2 Abs. 3 SGB IX „infolge ihrer Behinderung ohne die Gleich-
stellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten können“. Es genügt
nicht, dass die Betroffenen arbeitslos sind. Sie müssen gerade wegen ihrer Behinderung
erheblichen Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sein. Gleichgestellte Beschäf-
tigte können beinahe alle Rechte und Leistungen nach dem Schwerbehindertenrecht
beanspruchen. Selbst bei einem GDB unter 30, können Jugendliche mit Behinderung für
die Berufsausbildung schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.