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RECHT
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VERTRAGSRECHT
Werkvertrag statt Leiharbeit?
TREND. Neuerdings schließen Unternehmen Werkverträge ab, um die nunmehr
strengeren Regeln bei Leiharbeit zu umgehen. Das könnte jedoch teuer werden.
kannte Einzelhandelsketten, die in ihrer
Logistik Tätigkeiten wie die Regalbestü-
ckung zunehmend nicht durch eigenes
Personal oder Leiharbeitnehmer aus-
führen lassen, sondern als Gewerke im
Rahmen von Werkverträgen an Selbst-
ständige vergeben.
Schaut man sich die gesetzlichen Vor-
schriften des Werkvertrags aus dem
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) an, so
scheint die Lösung auf den ersten Blick
verblüffend einfach. Von einem Werk-
vertrag spricht man nach § 631 BGB
nämlich dann, wenn eine Arbeit oder
Dienstleistung vereinbart wird, soweit
der „herbeizuführende Erfolg“ im Vor-
dergrund der Leistung steht (siehe Ka-
sten auf der folgenden Seite).
Dass eine solche Definition besonders
gut im Bereich der Softwareentwick-
lungen umsetzbar ist, zeigen die Pläne
des IT-Riesen IBM. Dieser verkündete
kürzlich, in Zukunft einen nicht un-
erheblichen Teil seiner Projekte nicht
mehr über eigene oder entliehende An-
gestellte abzuwickeln. Vielmehr sollen
die Aufträge auf Basis eines Werkver-
trags vergeben werden.
Auch Dienstleistungen können als
Werkverträge ausgestaltet werden
Was spricht eigentlich dagegen, von der
Möglichkeit eines Werkvertrags mittels
der durch das BGB vorgegebenen De-
finition Gebrauch zu machen? Grund-
sätzlich nichts, sagt Wolfgang Lipinski,
Rechtsanwalt bei Beiten Burkhardt in
München und stellt klar: „Einkäufe von
Dienstleistungen auf Werkvertragsbasis
sind durchaus legal möglich.“ Allerdings,
ergänzt Lipinski, wird ein noch so sorg-
fältig ausgearbeiteter Werkvertrag dann
zur Makulatur, wenn sich der Auftragge-
ber nicht konsequent und jederzeit nach-
weisbar an die darin definierten Abläufe
hält. Denn sowohl die arbeitsrechtliche
als auch die sozialversicherungsrecht-
liche Bewertung einer Tätigkeit erfolgt
nicht nach dem, was vertraglich verein-
bart wurde. Vielmehr richtet sie sich
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
W
arum nicht eine Tätigkeit
als Werkvertragsauftrag
vergeben statt sie durch
eigenes oder entliehendes
Personal erledigen zu lassen? Presse-
meldungen belegen, dass immer mehr
Unternehmen auf diese Idee kommen.
Dazu gehören beispielsweise zwei be-
MEINUNG
Für Arbeitgeber ein riskantes Spiel
Die Versuche, Arbeitsrecht zu umgehen, sind so alt
wie das Arbeitsrecht selbst. So wie man bislang
Stammarbeitsverhältnisse vermeiden wollte, so
kommen die Akteure heute darauf, die durch
einen Mindestlohn etwas verbesserte Situation
der Leiharbeit nunmehr durch Werkverträge zu
umgehen. Das ist für die Arbeitgeber ein riskantes
Spiel. Abhängige Beschäftigung unter Rechtsfor-
menmissbrauch durch Werkverträge zu ersetzen,
kann teuer werden.
Freilich ist es äußerst schwierig, die Situati-
on durch Gesetzesänderungen in den Griff zu
bekommen. Das hat man schon früher unter dem
Begriff der Scheinselbstständigkeit versucht. Doch
bleibt jede kasuistische Definition angesichts der
Vielgestaltigkeit des Wirtschaftslebens unvoll-
kommen. Die Rechtsprechungsleitlinien genügen im Prinzip. Die Schwierigkeit liegt
darin, dass jeder Einzelfall geprüft werden muss. Der Gesetzgeber müsste prüfen, ob
das Sanktionsinstrumentarium ausreicht. Angesichts gewisser aggressiver Praktiken
müssen Unternehmen mit weitergehenden Betriebsprüfungen und Kontrollen durch die
Zollfahndung rechnen.
Prof. Dr. Ulrich Preis
Direktor am Institut für
deutsches und europäisches
Sozialrecht in Köln