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personalmagazin 07 / 12
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RECHT
_ENTGELTFORTZAHLUNG
Den Extremsport verbieten?
ÜBERSICHT.
Klettern, Sumpfschnorcheln, Kickboxen: Auch bei Sportarten mit hoher
Verletzungsgefahr ist es kaum möglich, Mitarbeiter in ihrer Freizeit zu beschränken.
Schürf- und Platzwunden sowie Kno-
chenbrüche. Besonders unfallträchtig
sind Ballsportarten, tendenziell eher un-
gefährlich sind Sportarten, bei denen es
nicht zu plötzlichen Richtungswechseln
kommt und die auf ebener Fläche ausge-
übt werden. Ein Drittel aller Sportunfäl-
le ereignet sich beim Fußball. Auf 100
Aktive kommen 14 Verletzte. Vergleich-
bar gefährlich sind Hand-, Volley- und
Basketball (etwa zwölf Prozent). Es fol-
gen Inline-Skaten, Skateboard- und Kick-
boardfahren, Skifahren, Tennis, Squash,
Badminton und Radfahren (jeweils etwa
sechs Prozent).
Private Lebensführung ist tabu
Vor diesem Hintergrund stellt sich die
Frage, ob der Arbeitgeber gefährliche be-
ziehungsweise mit Verletzungsrisiken
verbundene sportliche Betätigungen
in der Freizeit des Arbeitnehmers im
Arbeitsvertrag verbieten oder hieraus
resultierende Entgeltfortzahlungsan-
sprüche ausschließen kann. Dabei ist
zunächst zu beachten: Die Privatsphäre
des Arbeitnehmers ist grundsätzlich vor
Eingriffen des Arbeitgebers geschützt.
Das außerdienstliche Verhalten und die
private Lebensführung eines Arbeitneh-
mers dürfen daher auch imWiderspruch
zu den Interessen des Unternehmens
stehen. Allgemein gilt, dass ein be-
stimmtes außerdienstliches Verhalten
umso eher untersagt werden kann, je
höher das mit ihm verbundene Scha-
densrisiko ist, je gravierendere Konse-
quenzen ein hierbei hervorgerufener
Schaden für dritte Personen respek-
tive den Arbeitgeber nach sich ziehen
kann und je weniger Einschränkungen
ein – grundsätzlich allenfalls zeitwei-
lig anzuerkennender – Verzicht auf die
untersagte Tätigkeit vom Arbeitnehmer
fordert (Preis, Arbeitsvertrag, 4. Auflage,
II A 160 Rn 2, 18).
Keine allgemeine Pflicht zu
gesundheitsförderndem Verhalten
Aber auch wenn ein solcher Eingriff in
die Privatsphäre ausnahmsweise an-
zuerkennen sein sollte, sind strenge
Anforderungen an die hinreichende
Bestimmtheit und Transparenz einer
entsprechenden arbeitsvertraglichen
Klausel zu stellen. Dem Arbeitnehmer
muss klar und eindeutig erkennbar sein,
welche konkreten Verhaltens- oder Un-
terlassenspflichten durch eine Klausel
begründet werden sollen. Das BAG bejaht
zwar eine Verpflichtung zu einem gene-
sungsfördernden Verhalten während
der Arbeitsunfähigkeit (BAG, Urteil vom
2.3.2006, Az. 2 AZR 53/05), sieht aber
grundsätzlich keine besondere Pflicht
zu einem allgemeinen gesundheitsför-
dernden Verhalten des Arbeitnehmers.
Von
Jan Gieseler
S
port hält gesund, macht Spaß
und kann soziale Kompetenzen
fördern. Sportliche Betätigung
fördert die physische und psy-
chische Gesundheit der Mitarbeiter und
dient damit (auch) der Erhaltung der
Arbeitskraft. Andererseits können hohe
Entgeltfortzahlungskosten drohen, sollte
einMitarbeiter infolge eines Sportunfalls
arbeitsunfähig werden.
Von Fußball, Handball, Bergsteigen,
Reiten oder Skifahren über Freeclim-
bing, Drachenfliegen, Bungeejumping,
Inline-Skaten oder Kitesurfen bis hin
zu skurrilen oder extrem gefährlichen
Sportarten wie Sumpfschnorcheln oder
Base-Jumping: Die Möglichkeiten zur
sportlichen Betätigung in der Freizeit
sind vielfältig und häufig mit erheb-
lichen Gesundheitsrisiken verbunden.
In Deutschland werden pro Jahr insge-
samt etwa eineinhalb Millionen Sport-
unfälle registriert. Die häufigsten
Sportverletzungen sind Zerrungen, Mus-
kelfaser- und Bänderrisse, Prellungen,
UNWIRKSAME KLAUSELN
Wer Formulierungen wie die Folgenden in einer arbeitsvertraglichen Klausel verwendet,
muss wissen, dass diese im Streitfall einer rechtlichen Überprüfung vor Gericht kaum
standhalten werden.
• „Der Mitarbeiter verpflichtet sich, seine Gesundheit und Arbeitsfähigkeit zu erhalten.“
• „Ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers besteht nicht, wenn die Arbeits-
unfähigkeit auf einem Unfall beruht, der bei Ausübung einer gefährlichen Sportart
eingetreten ist.“
• „Der Mitarbeiter verpflichtet sich, folgende Sportarten in seiner Freizeit nicht auszuüben.“