Seite 66 - personalmagazin_2012_07

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personalmagazin 07 / 12
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RECHT
_URTEILSDIENST
LAG Hamm bestätigt Risiko bei Rückzahlungsklauseln
Nicht alles was vertraglich vereinbart
und unterschrieben wurde, ist auch ar-
beitsrechtlich wirksam. Das Stichwort
heißt AGB-Falle und kennzeichnet das
Risiko der Unwirksamkeit arbeitsrecht-
Rückforderung von Ausbildungskosten
möglich sind, wenn der Arbeitnehmer
nach erfolgreichem Ausbildungsende
innerhalb einer vertraglich definierten
Zeit das Unternehmen verlässt.
licher Klauseln, soweit sie für den Ar-
beitnehmer überraschend sind oder ihn
unangemessen benachteiligen. Beim
LAG Hamm wurde um die Frage gestrit-
ten, inwieweit Vertragsklauseln über die
URTEIL DES MONATS
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Kranken-
hausgesellschaft finanzierte ihrem Arbeitnehmer eine aufwendige
Weiterbildung zum Fach- und Gesundheitspfleger. Dazu hatten die
Parteien eine Rückzahlungsvereinbarung geschlossen, die folgende
Staffelung enthielt: „Endet das Arbeitsverhältnis, dann sind im
ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwen-
dungen, im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei Drittel
der Aufwendungen, im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs
ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen“. Zwei Jahre nach Ab-
schluss des Lehrgangs kündigte der Arbeitnehmer und das Kranken-
haus verlangte die anteilige Rückzahlung der Ausbildungskosten.
Darin sahen die Richter des LAG eine unangemessene Benachteili-
gung. Ihnen war die Differenzierung der gestaffelten Rückzahlungs-
quote nicht feingliedrig genug. Wenn die Rückforderungssumme
ein Vielfaches des Bruttomonatseinkommens übersteige, sei es
notwendig, auf eine „ausdifferenzierte, etwa monatliche Staffelung
abzustellen“. Vor allem zeigt das Urteil wieder einmal das eigent-
liche Risiko von arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklauseln: Fallen
sie einer AGB-Prüfung zum Opfer, ist die gesamte Regelung unwirk-
sam, eine Reduzierung auf ein zulässiges Maß findet nicht statt. So
BETRIEBLICHE ÜBUNG
ZUSAMMENFASSUNG
Bietet der Arbeitgeber über Jahre hinweg
seinen Arbeitnehmern den Abschluss eines Versorgungsvertrags an,
kann er dieses Angebot nicht einseitig widerrufen.
RELEVANZ
Das Urteil zeigt drastisch auf, welche Folgen vorbehalts-
lose Leistungsgewährungen haben können. Im zu entscheidenden
Fall hatte eine Landesbank nahezu allen Arbeitnehmern, die eine
Dienstzeit von 20 Jahren zurückgelegt hatten, eine Versorgung
nach beamtenähnlichen Grundsätzen gewährt. Damit war für alle
Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen der bisherigen Zusage
erfüllten, ein Rechtsanspruch aus betrieblicher Übung entstanden,
der nicht durch einseitige Erklärung abgeschafft werden konnte.
KÜNDIGUNG WEGEN KRANKHEIT
ZUSAMMENFASSUNG
Bei einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer
sind bei einer krankheitsbedingten Kündigung in allen Prüfungsstu-
fen deutlich erhöhte Anforderungen zu stellen.
RELEVANZ
. Das Urteil macht zunächst deutlich, dass auch tariflich
unkündbare Personen unter Beachtung einer sozialen Auslauf-
frist krankheitsbedingt gekündigt werden können. An eine solche
außerordentlichen Kündigungsvariante sind jedoch erheblich höhere
Bedingungen als an eine „normale“ Kündigung zu stellen. Fehl-
zeiten aus zwei Jahren im Umfang von 57 und 38 Arbeitstagen sind
nach Ansicht des LAG hier keinesfalls geeignet, eine notwendige
negative Gesundheitsprognose zu rechtfertigen.
hätte im vorliegenden Fall der Arbeitnehmer auch unmittelbar nach
Ausbildungsende kündigen können, ohne dass von ihm auch nur ein
Cent der Ausbildungskosten hätte zurückverlangt werden können.
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Weiterbildung: Auf den Kosten kann der Arbeitgeber sitzen bleiben.
Quelle
LAG Hamm, Urteil vom 9.3.2012, 7 Sa 1500/11
Zum Thema ...
Personalmagazin 3/2011, Seite 77
Quelle
LAG Düsseldorf, Urteil vom 5.3.2012, 14 Sa 1377/11
Zum Thema ...
Personalmagazin 6/2011, Seite 12
Quelle
BAG, Urteil vom 15.5.2012, 3 AZR 128/11
Zum Thema ...
Personalmagazin 10/2010, Seite 81