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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an thomas.
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personalmagazin:
Kommen wir noch mal
zur Verhandlungsatmosphäre zurück.
Wie unterscheidet sich diese vom
herkömmlichen Richtergespräch im
Gütetermin?
Apprich:
Das zentrale Geschehen findet
in einem Gespräch statt. Es wird in der
Alltagssprache kommuniziert. Der Medi­
ator oder die Mediatorin haben vor allem
die Aufgabe, die Motive und Bedürfnisse
der Parteien aufzunehmen und bei der
Suche nach Lösungen zu unterstützen.
personalmagazin:
Gibt es für Streitigkeiten
arbeitsrechtlicher Natur weitere Vorteile,
die einen Anreiz zu dieser neuen Verfah-
rensart darstellen?
Apprich:
Ja, zum Beispiel die Vertrau­
lichkeit, denn die Mediation ist nicht
öffentlich. In Verfahren, in denen
Umstände aus dem Privatleben oder
Betriebsgeheimnisse erörtert werden,
kann die Vertraulichkeit ein wesent­
liches Entscheidungskriterium für die
Mediation sein.
personalmagazin:
Ist „Nachhaltigkeit“ auch
ein Argument für die Mediation?
Apprich:
Sicherlich, denn eine gemein­
sam gefundene Lösung bietet eine
höhere Gewähr ihrer freiwilligen Um­
setzung. Hier gibt es im Übrigen auch
nur höchst selten Vollstreckungspro­
bleme. Die Nachhaltigkeit im weiteren
Sinne liegt aber auch darin, dass die
Parteien durch eine gelungene Media­
tion erfolgreich gelernt haben, Kon­
flikte allein zu lösen.
„Vertraulich und nachhaltig“
INTERVIEW.
Was sind die Vorteile einer Mediation? Wir sprachen mit einem mediations­
erfahrenen Richter über seine Erfahrungen mit dieser Konfliktlösungsmethode.
personalmagazin:
Herr Apprich, was
antworten Sie einem Richterkollegen, der
auf den Mediationseffekt des arbeits-
rechtlichen Gütetermins hinweist?
Jochen Apprich:
Gütetermin und Mediation
sind im Grunde wie Äpfel und Birnen.
Beide Formen sollen zwar Konflikte lö­
sen. Im Gütetermin bestimmt aber der
Richter den Ablauf des Gesprächs, bis
hin zu einem richterlichen Vergleichs­
vorschlag. Ganz anders ist es bei der
Mediation. Hier bestimmen die Par­
teien den Gang des Verfahrens. Allein
sie verständigen sich auf den Umfang
des zu lösenden Konfliktstoffs. Die im
Rahmen der Mediation vorzunehmende
Erörterung der Interessen schafft das
Fundament für kreative Lösungen, die
im Gütetermin in der Regel nicht erzielt
werden können.
personalmagazin:
Bedeutet dies auch, dass
durch den Mediator, anders als es beim
Gütetermin der Fall ist, kein Zeitpunkt
für eine Einigung vorgegeben werden
darf?
Apprich:
Im Prinzip ja, denn eine der
Grundlagen einer erfolgreichen Media­
tion ist auch, dass über den zeitlichen
Umfang der Einigungsgespräche ­allein
die Parteien entscheiden. Ein Gütetermin
endet dagegen nach den Vorstellungen
des Arbeitsrichters üblicherweise
spätes­tens nach
20 bis 30 Minuten. Da­
durch, dass bei der Mediation die Par­
teien auch über die Frage entscheiden,
wie viel Zeit man sich für die jeweiligen
Streitfragen nehmen sollte, wird bei
einem Mediationsver­fahren eine Ver­
handlungsatmosphäre geschaffen, die
differenzierte und kreative Lösungs­
optionen begünstigt.
personalmagazin:
„Ich könnte mir vorstel-
len, dass folgender Vergleich interes-
sengerecht ist“, so oder ähnlich lautet
im Gütetermin oft das Resümee des
Arbeitsrichters. Ist an dieser Stelle die
mediatorische Einigung im Vorteil?
Apprich:
Eindeutig ja, denn die Lösungen
werden nicht vom Mediator, sondern
von den Parteien vorgeschlagen. Nur
sie entscheiden, welche Lösung fair
und interessengerecht ist. Dazu bedarf
es allerdings Eigenverantwortung und
Entscheidungsfreude, Elemente, die ja
gerade vom Mediator vermittelt und ge­
fördert werden müssen.
Jochen Apprich
ist Richter am LG Rostock
und hat dort in einem Pilotprojekt zahl-
reiche Mediationsverfahren durchgeführt.
Das Interview führte
Thomas Muschiol
.