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Recht
_gesetzesänderung
personalmagazin 12 / 12
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
„Ein zahnloser Tiger für die Arbeitsgerichtsbarkeit“
„Es kommt auf den Fall an“
Die Einführung des Mediationsverfahrens widerspricht schon
dem Beschleunigungsgrundsatz im Arbeitsgerichtsverfahren. Es
ist sogar zu befürchten, dass ein Gutteil der Parteien die Mög-
lichkeit ergreifen wird, sich ins Mediationsverfahren zu flüchten,
da durch die Verfahrensverzögerung wegen der Anordnung des
Ruhens des Verfahrens ein nicht unerheblicher Druck auf die
eine oder andere Seite ausgeübt werden kann. Außerdem darf
man nicht außer Acht lassen: Ein Mediationsverfahren, das die
Parteien nach § 2 Abs. 5 des neuen Gesetzes jederzeit ohne
Grund beenden können, dürfte daher im Bereich der Arbeitsge-
richtsbarkeit ein „zahnloser Tiger“ sein.
Im typischen Kündigungsstreit – wo
meist nur um Abfindungen ge-
feilscht wird – ergibt eine Mediation
keinen Sinn. Wenn es aber um
Versetzung, Änderungskündigung,
Teilzeitbegehren und Ähnliches
geht, also jene Fälle, in denen die
Parteien auch künftig miteinander
auskommen müssen, bietet dieses
neue Verfahren Chancen. Ärgerlich
ist, dass der Gesetzgeber hand-
werklich geschlampt hat: § 54
Abs. 6 ArbGG erweckt den Eindruck,
als ob das Gericht die Parteien vor
den Güterichter zwingen könnte.
„Gespür des Eingangsrichters ist gefordert“
Einigungsstellen und Mediationen stellen völlig unterschiedliche
Verfahren dar. Gleiches gilt für die Güteverhandlung. Die bloße
Nutzung von mediativen Elementen im herkömmlichen Verfahren
mag wünschenswert sein, macht aber aus Einigungsstellen eben-
so wenig eine Mediation wie der Einsatz von psychologischen
Elementen eine Verhandlung zur Gruppentherapie werden lässt.
Ob die gerichtsnahe Mediation im Arbeitsrecht Erfolg hat, hängt
nicht zuletzt von dem Gespür des Richters ab, bei dem eine Klage
eingeht und dessen Vorschlag für den Einsatz einer Mediation
maßgeblich sein dürfte.
„Beim Führungskräftestreit“
Die Konfliktbeilegung ohne Gerichts­
entscheidung hat im Arbeitsrecht
Tradition. Kündigungsschutzverfah-
ren werden bekanntlich mehrheit-
lich im Gütetermin verglichen. Für
Konflikte zwischen den Betriebspar-
teien steht die Einigungsstelle be-
reit. Einen Anwendungsbereich für
Mediation sehe ich aber durchaus
bei Konflikten zwischen Arbeitge-
bern und Führungskräften.
„Mediation wird Schattendasein führen“
Die gerichtsnahe Mediation ist überflüssig, denn die Parteien
konnten auch bisher, wenn sie den Konflikt durch eine Mediation
lösen wollten, dieses vereinbaren. Das Verfahren konnte dann
vom Gericht wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen
ruhend gestellt werden. Eine gute Ausbildung der Arbeitsrichter
in Gesprächs- und Verhandlungsführung und die Bereitschaft der
Richter, sich im Gütetermin ausreichend Zeit zu nehmen, sind
mehr wert als ein unvollkommenes Gesetz über gerichtsnahe
Mediation. Ich wage die Prophezeiung, dass die Mediation im
arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Schattendasein führen wird.
Wird das Mediationsverfahren auch im Arbeitsrecht
eine überlegenswerte Alternative? Wir haben dazu die
Meinung von Fachleuten eingeholt.
Christoph Gross Rechts-
anwalt, Präsident des
AG Sachsen-Anhalt a.D.
Christoph Tillmanns,
Vorsitzender Richter
am LAG Baden-
Württe­mberg
Professor
Jobst
Hubertus
Bauer,
Rechtsan-
walt
Dr. Hans-
Peter Löw,
Rechtsan-
walt
Nicholas Hölting,
Deutsche Telekom AG
Noch überwiegt die Skepsis