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titel
_AUSLANDSENTSENDUNG
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
wollen“ – so wie es einem Mitarbeiter
auch nicht freisteht, ob er einen Schutz-
helm trägt.
personalmagazin:
Und wenn der Arbeitge-
ber untätig bleibt?
Reinhard:
Verletzt ein Arbeitgeber die ar-
beitsvertragliche Fürsorgepflicht und
arbeitschutzrechtliche Vorschriften,
können ihn Schadensersatzpflichten
gegenüber dem Mitarbeiter oder seinen
Angehörigen treffen. Hinzu kommen
sonstige finanzielle Risiken (Lösegeld-
zahlungen bei Entführungen, Rück-
transport- und Einsatzkosten) sowie
die Gefahr eines nicht unerheblichen
Reputationsschadens. Handelt der Ar-
beitgeber schuldhaft, greifen auch
Versicherungen gegebenenfalls nur un-
zureichend ein.
personalmagazin:
Was kann ein Arbeitneh-
mer machen, wenn er die Situation im
Ausland als gefährlich einschätzt, der
Arbeitgeber aber lieber noch abwarten
möchte, bevor er die Entsendung abbricht?
Reinhard:
Ein Arbeitnehmer kann in
letzter Konsequenz eine fristlose Ei-
genkündigung aussprechen, wenn der
Arbeitgeber trotzt Rüge und Hinweis
keinen hinreichenden Arbeitsschutz
gewährt. Auf den Auslandsfall übertra-
gen wäre aber – je nach den ­Umständen
des Einzelfalls – zunächst eine Rückrei-
seanfrage oder die Anfrage zu Sicher-
heitsvorkehrungen vor Ort angemessen.
Zudem kann die Arbeitsleistung – vorü-
bergehend – aufgrund der Umgebungs-
umstände unzumutbar sein, so dass
dem Arbeitnehmer ein Leistungsver-
„Arbeitgeber muss Risiko prüfen“
INTERVIEW.
Wie viel Risiko ist dem Arbeitnehmer zumutbar? Wann muss ein Arbeitgeber
die Entsendung abbrechen? Wir fragten nach den Einzelheiten der Arbeitgeberpflichten.
personalmagazin:
„Erneute Unruhen in
­Kairo.“ Was raten Sie einem Personal-
leiter, der diese Schlagzeilen liest und
gerade einige Mitarbeiter als Monteure
nach Ägypten entsandt hat?
Barbara Reinhard:
Der ­Personalleiter
sollte zunächst sorgfältig prüfen, ob
es sich um einen „Zeitungsaufma-
cher“ ­handelt oder tatsächlich erhöhte
­Sicherheitsrisiken bestehen. Als ob-
jektiver Prüfungsmaßstab können die
Reise- und Sicherheitshinweise des
Auswärtigen Amts herangezogen wer-
den, mit denen das Auswärtige Amt auf
besondere Risiken für Reisende und im
Ausland lebende ­Deutsche aufmerk-
sam macht. Sie können die Empfehlung
enthalten, auf Reisen zu verzichten
oder sie einzuschränken. Eine solche
Empfehlung hat auch ein Arbeitgeber
unbedingt zu beachten, denn ihn tref-
fen sowohl aufgrund der arbeitsver-
traglichen Fürsorgepflicht als auch der
öffentlich-rechtlichen Bestimmungen
des Arbeitsschutzgesetzes besondere
Pflichten zu Hinweisen, Anweisungen
oder Vorsorgemaßnahmen gegenüber
den entsandten Mitarbeitern. So sind
diese zumindest über eine veränderte
Sicherheitslage ausreichend zu infor-
mieren. Zudem hat der Personalleiter zu
prüfen, ob die Sicherheitsvorkehrungen
für die Mitarbeiter vor Ort und die Vor-
bereitung auf den Auslandseinsatz im
Hinblick auf die veränderten Umstände
noch genügen, um einen hinreichenden
Arbeitsschutz zu gewährleis­ten.
personalmagazin:
Wann ist der Arbeitgeber
verpflichtet, Mitarbeiter wegen eines Si-
cherheitsrisikos sofort aus dem Ausland
zurückzuholen?
Reinhard:
Greift man die Wertungsstufen
des Auswärtigen Amts auf, so besteht
eine „Rückholpflicht“ spätestens dann,
wenn das Auswärtige Amt eine soge-
nannte Reisewarnung ausgibt. Dabei
handelt es sich um einen dringenden
Appell, Reisen in ein Land oder in eine
Region eines Landes zu unterlassen. Das
Auswärtige Amt spricht diese Warnung
nur aus, wenn aufgrund einer akuten
Gefahr für Leib und Leben vor Reisen in
ein Land oder in eine bestimmte Region
eines Landes gewarnt werden muss. In
einem solchen Fall kann der Arbeitge-
ber seinen Mitarbeitern nicht die Wahl
lassen, ob sie sich „in Gefahr begeben
Dr. Barbara Reinhard
ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und
Partnerin bei Kliemt & Vollstädt in Frankfurt.