Seite 64 - personalmagazin_2012_08

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personalmagazin 08 / 12
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Recht
_schwellenwerte
Einer mehr oder weniger
überblick.
Zahlreiche Pflichten des Arbeitgebers sind an bestimmte Betriebsgrößen
geknüpft. Wer eine teure Fehlbeurteilung vermeiden will, sollte genau hinschauen.
sen ­werden können. Zu prüfen ist hier,
ob vor der Umsetzung der Maßnahme
mit dem Betriebsrat über einen Interes-
senausgleich und Sozialausgleich zu be-
raten ist. Diese Pflicht beginnt aber erst,
wenn imUnternehmen in der Regel mehr
als 20 Mitarbeiter beschäftigt sind. Nach
einem Blick in die Lohnliste bekommt
der Arbeitgeber im Beispielsfall mit den
Worten „Wir liegen knapp unterhalb der
Schwelle“, grünes Licht.
Das hier die Personalabteilung zu
schnell geantwortet hat, zeigt sich Mo-
nate später vor dem Arbeitsgericht. Ob-
wohl das Gericht eine betriebsbedingte
Kündigung bestätigt, wird der Arbeit-
geber zur Zahlung einer Abfindung
verurteilt. Der Grund lag in der Fehlein-
schätzung über einen Schwellenwert.
Diese führte dazu, dass der Arbeitgeber
keinen Interessenausgleich versuchte
und somit nach § 113 BetrVG einen
„Nachteilsausgleichs“ zahlen musste.
Die unterschiedlichen Schwellenwerte
sind facettenreich und inkonsistent
Das Beispiel zeigt: Nicht alle Gesetze und
Vorschriften gelten gleichermaßen in
allen Betrieben. Vielmehr führt das Er-
reichen, Über- oder Unterschreiten von
unterschiedlich definierten Schwellen-
werten zu verschiedenen Rechtsfolgen
(eine tabellarische Übersicht wichtiger
Schwellenwerte und deren Folgen lesen
Sie auf Seite 66). Das Beispiel zeigt aber
vor allem, dass sich die exakte Ermitt-
lung der relevanten Belegschaftsstärke
im Betrieb oder im Unternehmen als
schwierig herausstellenkann. So ist beim
Schwellenwert aus § 111 BetrVG die An-
zahl der Mitarbeiter des Unternehmens
und nicht jene des Betriebs wesentlich.
Zudem ist nicht der aktuelle Stand, son-
dern die „in der Regel“ Beschäftigten für
die Festlegung des Schwellenwerts her-
anzuziehen.
Die Probleme resultieren vor allem
daraus, dass der Gesetzgeber durch
facettenreiche wie inkonsistente For-
mulierungen einen Wildwuchs an un-
terschiedlichen Bezugspunkten kreiert
hat. Im Wesentlichen finden sich in den
unterschiedlichen Gesetzen Schwellen-
Von
Jan Vetter
W
ieviele Mitarbeiter haben
wir denn im Regelfall be-
schäftigt?“ Wenn diese
Frage an Personaler ge-
richtet wird, kann sich eine vorschnelle
Antwort rächen, wie folgendes Beispiel
zeigt: Ein Unternehmen plant, die Her-
stellung eines nicht mehr marktfähigen
Produkts einzustellen. Die Folge ist, dass
Arbeitsplätze wegfallen und betriebsbe-
dingte Kündigungen nicht ausgeschlos­
Einer zu viel: Bei arbeitsrechtlichen Schwellenwerten kann dies entscheidend sein.
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