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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Dr. Hans-Peter Löw
ist Rechtsanwalt und Partner
bei Allen & Overy LLP in
Frankfurt.
vermuten lassen. Dann kehrt sich die
Beweislast zulasten des Arbeitgebers
um. Sofern der Bewerber keinerlei Infor-
mationen hat, stellt sich die Frage, ob er
diese vom Arbeitgeber verlangen kann.
Der Europäische Gerichtshof hat in der
Rechtssache „GalinaMeister“ festgestellt,
dass keine Verpflichtung des Arbeit-
gebers zur Auskunft gegenüber einem
abgelehnten Bewerber besteht. Aus der
Ablehnung des Auskunftsbegehrens
könne aber in Verbindung mit anderen
Kriterien ein Indiz für eine Benachtei-
ligung erwachsen. Solche anderen Kri-
terien können sein: das offensichtliche
Entsprechen von Bewerberqualifikation
und Anforderungsprofil, die unterbliebe-
ne Einladung zu einem Vorstellungsge-
spräch unter diesen Voraussetzungen,
das erneute Unterbleiben der Einladung
zu einem Vorstellungsgespräch, wenn
der Arbeitgeber eine zweite Bewerber­
auswahl für die Stelle durchgeführt hat
und das Verweigern jeglichen Zugangs
für die begehrten Informationen.
Unklare Rechtslage bei Speicherung
und Löschung von Bewerberdaten
Bewerberdaten wurden üblicherweise
elektronisch gespeichert. Bis zum Ab-
schluss des Bewerbungsverfahrens, das
heißt bis zur Einstellungs- oder Absa-
geentscheidung, ist dies zweifellos zu-
lässig. Umstritten ist allerdings, ob der
Arbeitgeber sie darüber hinaus spei-
chern oder aufbewahren darf. Im Ergeb-
nis dürfte dies im Hinblick auf mögliche
Schadenersatz- oder Entschädigungs-
ansprüche nach § 15 AGG dem Grunde
nach nicht ernsthaft zu bestreiten sein.
Denn wenn ein abgelehnter Bewerber
eine Klage gegen das Unternehmen er-
hebt, sollte der Arbeitgeber zumindest
in der Lage sein festzustellen, ob und auf
welche Stelle überhaupt sich der Kläger
beworben hat. Die Dauer der zulässigen
Speicherung nach Abschluss des Bewer-
bungsverfahrens ist allerdings unklar.
Von Bedeutung ist hier § 15 Abs. 4 AGG,
wonach ein Schadenersatz- oder Entschä-
digungsanspruch innerhalb einer Frist
von zwei Monaten schriftlich geltend ge-
macht werden muss. Die Frist beginnt im
Falle einer Bewerbung mit dem Zugang
der Ablehnung, so jedenfalls § 15 Abs.
4 Satz 2 AGG. Daraus ergibt sich, dass
eine Aufbewahrung für einen Zeitraum
von zwei Monaten zuzüglich des Zeit-
raums für die mögliche Zustellung einer
Klage, also insgesamt etwa drei Monate
in jedem Falle, zulässig sein sollte. Nun
hat aber der EuGH die Ausschlussfrist
in § 15 Abs. 4 AGG nur mit der Maßga-
be mit europäischem Recht für vereinbar
erklärt, dass die Frist erst wie in allen an-
deren Fällen zu dem Zeitpunkt beginnt,
in dem der oder die Beschäftigte von der
Benachteiligung Kenntnis erlangt. Dies
kann einige Zeit nach der Absage liegen.
Von daher dürfte, auch wenn gesicherte
Erkenntnisse nicht vorliegen, eine Spei-
cherung für einen Zeitraum von sechs
Monaten nach der Auswahlentscheidung
datenschutzrechtlich zulässig sein.
Die internen Abläufe unbedingt auf
den Prüfstand stellen
In Bewerbungsverfahren gibt es eine
Vielzahl formaler und inhaltlicher An-
forderungen an einen ordnungsgemäßen
Prozess. Den Arbeitgebern ist dringend
anzuraten, ihre internen Prozesse da-
nach abzuprüfen und auszurichten. Bei
Verstößen drohen Schadenersatz- und
Entschädigungsansprüche. Aber auch
die Reputation auf dem Bewerbermarkt
wird darunter leiden.
Seit Dezember 2010 liegt er auf Eis: der Entwurf eines Beschäftigtendatenschutzge-
setzes. Das neue Gesetz soll auch die bisher gesetzlich nicht geregelte Problematik
des Datenschutzes „vor Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses“ regeln.
Im Gesetzesentwurf ist insbesondere vorgesehen, dass personenbezogene Daten des
Bewerbers nur bei diesem selbst erhoben werden dürfen. Wer bei Dritten Daten anfor-
dert, darf dies nur tun, wenn er beim Bewerber die vorherige Zustimmung eingeholt
hat. Allgemein zugängliche Daten dürfen ohne Mitwirkung des Bewerbers erhoben
werden, wenn der Arbeitgeber vorher darauf hinweist und keine überwiegenden
schutzwürdigen Interessen des Bewerbers entgegenstehen. Was Background Checks
betrifft, so erlaubt der Gesetzesentwurf das Einholen von Informationen aus „sozialen
Netzwerken“, wenn diese „zur Darstellung der beruflichen Qualifikation ihrer Mitglieder
bestimmt sind“.
Hinsichtlich der Daten, die Auskunft über die „rassische und ethnische Herkunft, die
Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, die sexuelle Identität, die Gesundheit,
die Vermögensverhältnisse, Vorstrafen oder laufende Ermittlungsverfahren“ geben, sieht
das Gesetz keine eigenständigen Regelungen vor. Vielmehr wird zur Klarstellung auf das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verwiesen. Verwirrung stiftet allerdings die Einfü-
gung eines ausdrücklichen Verbots der Frage nach einer Schwerbehinderung.
Wie geht es weitergeht im Gesetzgebungsverfahren? Insider äußern die Befürchtung, dass
im Hinblick auf die im nächsten Jahr stattfindende Bundestagswahl das von allen Fraktionen
als notwendig erachtete Gesetz aus parteitaktischen Gründen auf unabsehbare Zeit auf der
Strecke bleibt.
Datenschutzgesetz bleibt blockiert
Praxisbeispiel
Gesetzesänd rung