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personalmagazin 08 / 12
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Recht
_Recruiting
Personalfragebogen. Das Bundesar-
beitsgericht verlangt ein „berechtigtes,
billigenswertes und schutzwürdiges
Interesse an der Beantwortung seiner
Frage im Hinblick auf das Arbeitsver-
hältnis“. Voraussetzung hierfür ist, dass
„das Interesse des Arbeitgebers so ge-
wichtig ist, dass dahinter das Interesse
des Arbeitnehmers, seine persönlichen
Lebensumstände zum Schutz seines Per-
sönlichkeitsrechts und zur Sicherung
der Unverletzlichkeit seiner Individual-
sphäre geheim zu halten, zurückzutre-
ten hat“.
Eine Frage des Arbeitgebers, die auf
eines der Differenzierungsmerkmale
nach § 1 AGG bezogen ist, stellt eine Be-
nachteiligung dar, es sei denn, es liegt
ein Rechtfertigungsgrund nach §§ 8 bis
10 AGG vor. Dies ist jedoch nur dann der
Fall, wenn sich die Frage auf eine we-
sentliche und entscheidende berufliche
Anforderung bezieht. Dieses Merkmal
wird jedoch von der Rechtsprechung
sehr restriktiv ausgelegt. Demnach sind
Fragen nach der Schwangerschaft, der
Staatsangehörigkeit, der sexuellen Iden-
tität, der Religionszugehörigkeit oder
Weltanschauung sowie selbst nach dem
Lebensalter im Lichte des AGG nicht zu-
lässig. Das Gleiche gilt mittlerweile auch
für die Frage nach einer Schwerbehinde-
rung. Unzulässig sind auch Fragen nach
der Gewerkschaftszugehörigkeit oder
der Mitgliedschaft in politischen Par-
teien. Ausnahmen können in Tendenzbe-
trieben gelten, wie etwa bei der Tätigkeit
für eine Gewerkschaft oder einen Arbeit-
geberverband, eine Partei oder eine Reli-
gionsgemeinschaft.
Stellt der Arbeitgeber eine in diesem
Sinn unzulässige Frage, so darf der Ar-
beitnehmer die Frage unrichtig beantwor-
ten, ohne dass sichdaraus für ihnnegative
Konsequenzen ergeben. Vor allem aber
gilt: Wird eine unzulässige Frage gestellt,
besteht jederzeit die Gefahr, dass dies als
Indiz für eine Benachteiligung angesehen
wird. Nicht der Bewerber muss sodann
nachweisen, dass eine Diskriminierung
vorliegt, sondern der Arbeitgeber muss
bei Vorliegen von Indizien aufgrund der
im AGG vorgeschriebenen Beweislastum-
kehr nachweisen, dass keine Diskriminie-
rung vorliegt.
Wer Absagen begründet, kann damit
Munition für eine AGG-Klage liefern
Grundsätzlich besteht keine Verpflich-
tung, die Ablehnung eines Bewerbers
zu begründen, von schwerbehinderten
Bewerbern abgesehen. Es ist zu empfeh-
len, tatsächlich die Absagen auch nicht
zu begründen. Andernfalls besteht die
Gefahr, dass abgelehnte Bewerber hie-
raus Indizien für eine Benachteiligung
im Sinne des AGG abzuleiten versuchen.
Sollte dennoch eine Begründung gege-
ben werden, so hat diese sich streng an
der Diskrepanz zwischen dem Anforde-
rungs- und dem Bewerberprofil zu ori-
entieren.
Sofern ein abgelehnter Bewerber
wegen einer vermeintlichen Benach-
teiligung Schadensersatz- und Entschä-
digungsansprüche geltend machen will,
hat er die Benachteiligung darzulegen
und zu beweisen. Hierbei hilft ihm im ge-
wissen Umfang die in § 22 AGG ­geregelte
Beweislastverteilung. Danach reicht es
aus, wenn der Bewerber ­Indizien dar-
legen kann, die eine Benachteiligung
Checkliste
AGG-Pflichten bei der
­Stellenausschreibung, -anzeige und im
Bewerbungsgespräch (HI1572498)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE
HPO
Neben der traditionellen Suche über Stellenausschreibung oder Vermittlungsagentur
ist gerade in Zeiten eines teilweise leergefegten Fachkräftemarkts auch das aktive
Zugehen auf Wunschkandidaten ein häufiges Instrument im Recruiting geworden.
Die Abwerbung gehört zur Marktwirtschaft und ist daher grundsätzlich zulässig, auch
wenn sie nach einem bestimmten Plan erfolgt und auf eine Gruppe von Arbeitnehmern
abzielt, die man als neues Team gewinnen möchte. Unzulässig wird eine Abwerbung
jedoch dann, wenn sie
• zum Vertragsbruch verleitet, zum Beispiel zur Missachtung der Kündigungsfrist,
• zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verleitet,
• durch andere Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers erfolgt.
Dies trifft auch für die Beauftragung sogenannter Headhunter zu, die den Auftrag haben
zunächst nach geeigneten und wechselwilligen Mitarbeitern zu recherchieren und diese
dann durch gezielte Ansprache von einem Wechsel zu überzeugen. Unzulässig sind hier
persönliche Besuche des Headhunters am Arbeitsplatz. Ebenso unzulässig sind Anrufe,
die über eine kurze Stelleninformation hinausgehen oder solche, die zwar kurz sind,
aber wiederholt werden.
Anrufe sind dagegen zulässig, soweit sie sich auf
• eine kurze Stellenbeschreibung oder
• auf die Zeit zur Vereinbarung eines Gesprächstermins außerhalb der Arbeitzeit
beschränken.
Der Headhunter muss seine Abwerbungsversuche aber beenden, wenn der Angerufene
sein mangelndes Interesse ausgedrückt hat.
(tm)
Wann aktives Abwerben erlaubt ist
Praxisbeispiel
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