Seite 58 - personalmagazin_2012_08

Basic HTML-Version

personalmagazin 08 / 12
58
Recht
_Urteilsdienst
Spektakuläre Kehrtwende bei der Urlaubsabgeltung
Das Bundesarbeitsgericht hat sich in
Sachen Urlaubsabgeltung von der soge-
nannten Surrogatstheorie verabschiedet.
Diese besagte, dass ein Urlaubsabgel-
tungsanspruch wegen Beendigung des
ist das Urteil vor allem im Hinblick auf
langzeiterkrankte Arbeitnehmer zu be-
achten, denen jetzt auch nach Ablauf des
Urlaubsjahrs im Falle des Ausscheidens
ein Abgeltungsanspruch zusteht.
Arbeitsverhältnisses stets davon abhän-
gig ist, ob der Arbeitnehmer – wäre er
nicht ausgeschieden – seinen Erholungs-
urlaub noch im Beschäftigungsverhält-
nis hätte nehmen können. Für die Praxis
Urteil des monats
Das Urteil ist ein weiteres Beispiel dafür, wie ein jahrzehntelang
gefestigte Rechtsprechung durch Vorgaben des Europäischen
Gerichtshofs durcheinander gewirbelt werden kann. „Aufgrund
unionsrechtlicher Vorgaben“, schreibt das Bundesarbeitsgericht
in seiner Pressemitteilung, könne an der bisherigen Rechtspre-
chung jedenfalls dann nicht mehr festgehalten werden, wenn der
Arbeitnehmer über den Übertragungszeitraum hinaus arbeitsun-
fähig ist. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: In einem
Kündigungsrechtsstreit wurde rechtskräftig festgestellt, dass das
Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers zum 31. Juli 2008 geendet
hatte. Zu diesem Zeitpunkt standen ihm noch 16 Tage Urlaub zu, die
er wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte. Als er im Januar
2009 Urlaubsabgeltung verlangte, lehnten dies die Vorinstanzen mit
dem Hinweis auf die Surrogatstheorie ab. Anders das Bundesarbeits-
gericht, das entschied: „Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch
unterfällt als reiner Geldanspruch nicht mehr dem Fristenregime
des Bundesurlaubsgesetzes.“ Sachliche Gründe, warum für einen
arbeitsfähigen Arbeitnehmer andere Regeln für den Verfall des
Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten sollen als für einen arbeits-
unfähigen Arbeitnehmer, seien nicht ersichtlich. Für die Praxis gilt
Verdeckte Überwachung
Zusammenfassung
Auch wenn ein Arbeitsgericht zum Ergebnis
kommt, dass der Arbeitgeber wegen einer durch Videobeweis
nachgewiesenen Straftat zu einer verhaltensbedingten Kündigung
berechtigt war, ist stets zu prüfen, ob die Videoaufzeichnungen
im Kündigungsschutzprozess als Beweismittel verwertet werden
dürfen.
relevanz
Das Bundesarbeitsgericht hatte an der Kündigung selbst
nichts auszusetzen. Dennoch gaben die Richter den Fall wieder an
das Landesarbeitsgericht zurück. Dieses muss jetzt feststellen, ob
die Voraussetzung für eine prozessuale Verwertung der Videoauf-
zeichnungen gegeben sind.
Rechtswidriger Warnstreik
Zusammenfassung
Richtet sich ein Streik gegen ein Unterneh-
men, welches während laufender Tarifvertragsverhandlungen aus
dem Arbeitgeberverband ausgeschieden ist, werden die Streikmaß-
nahmen rechtswidrig und berechtigen den Arbeitgeber zu Scha-
densersatzforderungen gegen die Gewerkschaft.
relevanz
. Das Urteil stellt klar, dass Arbeitgeber das Recht haben,
sich aus laufenden Tarifvertragsverhandlungen „auszuklinken“,
sofern ein Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft möglich ist. Informiert
der Arbeitgeber dann noch die Gewerkschaft in ausreichendem
Maß über diesen Statuswechsel, dürfen gegen dieses Unternehmen
keine Arbeitskampfmaßnahmen mehr durchgeführt werden.
daher ab sofort: Urlaubsabgeltungsansprüche werden allenfalls
durch gesetzliche, tarif- oder einzelvertragliche Verjährungs- und
Ausschlussfristen begrenzt.
Den Urlaub wegen Krankheit nicht genommen? Nach Ausscheiden
aus dem Job gibt es einen Abgeltungsanspruch.
Quelle
BAG, Urteil vom 19.6.2012, 9 AZR 652/10
Zum Thema ...
Personalmagazin 2/2012, Seite 66
Quelle
BAG, Urteil vom 19.6.2012, 1 AZR 775/10
Zum Thema ...
Personalmagazin 9/2010, Seite 7
Quelle
BAG, Urteil vom 21.6.2012, 2 AZR 153/11
Zum Thema ...
Personalmagazin 7/2008, Seite 18
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an