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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Mitarbeitern könne dadurch unter Um-
ständen leiden.
Trotz seiner Bedenken forderte ich ihn
auf, mit mindestens fünf seiner Mitarbei-
ter das persönliche Gespräch zu suchen.
Er sollte nur eine Frage stellen: „Welchen
Rat würden Sie mir geben, damit ich ef-
fektiver arbeite? Bitte machen Sie ein
oder zwei konkrete Vorschläge. Ich wäre
Ihnen für Ihren Rat sehr dankbar.“ Er
zögerte zuerst, willigte aber schließlich
doch ein.
Bedenken und Ängste auflösen
Zunächst liefen die Gespräche eher holp-
rig. In den ersten Antworten hieß es, er
würde einen „guten“ oder sogar „sehr
guten“ Job machen. Erst nach einiger
Zeit, gezieltem Nachhaken und einigen
unangenehmen Gesprächspausen konn-
ten die Mitarbeiter davon überzeugt
werden, dass er nichts Böses im Schilde
führte und tatsächlich ehrliches Feed-
back verlangte, das er sich zu Herzen
nehmen und auch umsetzen wollte.
Im Laufe dieser ersten Gesprächsrun-
de erhielt der CEO überraschende, un-
angenehme, aber auch sehr wertvolle
Ratschläge – und erfuhr einiges über
sich selbst. So wurde er beispielsweise
als Mensch wahrgenommen, der seinen
Mitarbeitern nur selten Fragen stellt.
Einige Mitarbeiter gaben zu, dass sie
davon ausgegangen seien, dass ihn ih-
re Meinung nicht interessierte. Zudem
wurde er als schlechter Zuhörer emp-
funden. Wenn ein Mitarbeiter mit ihm
sprechen wollte, verfiel er in der Regel
in Monologe. Auch seine Art, Meetings
abzuhalten, wurde bemängelt. Sie seien
zu bürokratisch und eher Berichterstat-
tungen als Besprechungen, in denenman
Führungskräfte fühlen sich in der Chefetage oft isoliert wie in einer Blase – Feedback ist
Mangelware. Mit dem Mut, die richtigen Fragen zu stellen, lässt sich dies ändern.
© alphaspirit / Fotolia.com
sich über Themen austauscht. Daher hat-
ten seine Führungskräfte nur selten die
Gelegenheit, über bestimmte Themen zu
diskutieren – es sei denn, sie hatten ei-
genständig ein Meeting einberufen.
Obwohl der CEO als brillanter Strate-
ge und kreativer Denker wahrgenom-
men wurde, galt er letztlich nicht als
guter Manager oder gute Führungskraft.
Vieles davon war ihm völlig neu. Niemals
zuvor habe er dies von seinen Mentoren
oder Vorgesetzten vorgeworfen bekom-
men. Auf einige Kritikpunkte reagierte
er sofort. So organisierte er regelmäßige
persönliche Treffen mit all seinen Mitar-
beitern, um deren Rat einzuholen, und
forderte sie auf, es mit ihren eigenen
Teamkollegen auch so zu halten. Außer-
dem führte er monatliche Abendessen
ein, um dem Führungsteam die Gelegen-
heit zu geben, offen über wichtige The-
men zu diskutieren.
Nach drei Monaten konnte er die Wi-
derstände in der Gruppe gegen einige
wichtige Themen überwinden. So ei-
nigten sich zum Beispiel die Teammit-
glieder auf zwei neue Geschäftsziele und
spezielle Ansätze für die Entwicklung
aller Arzneimittel. In diesem Zeitraum
leitete der CEO mehrere Gesprächsrun-
den, in denen sich das Team mit diesen
heiklen Themen auseinandersetzte. Das
Ergebnis: ein deutlich verbessertes ge-
genseitiges Verständnis und mehr Klar-
heit über die Vision des CEO. In offenen
Diskussionen gewannen die Teilnehmer
einen Überblick über die besonderen
Herausforderungen, vor denen jeder
Einzelne in seinem jeweiligen Zustän-
digkeitsbereich stand. Auf diese Weise
wurden sie zu einem festen Team, einer
geschlossenen Einheit.
Offenheit kein Zeichen von Schwäche
Auch an seinen sozialen Kompetenzen
arbeitete der CEO gewissenhaft, ins-
besondere an den Aspekten Offenheit,
gezieltes Nachfragen und Zuhören. Er
hatte lange geglaubt, dass von einer gu-
ten Führungskraft eine gewisse Reser-
viertheit und Strenge erwartet werde.