personalmagazin 08 / 12
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Szene
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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
reicht. Mit Kopfschütteln musste er mit
ansehen, wie eben diese Männer mit ver-
bundenen Augen und einem Lutscher im
Mund aneinandergekettet durch unter
irdische Tunnel krabbeln, um ganz wich-
tige „Tasks“ zu finden. Sagen durften sie
dabei nur etwas, wenn sie vorher in ei-
ne Kindertröte pusteten. Dass die Teil-
nehmer in keiner Weise gegen diesen
„Blödsinn“, wie Kern es ausdrückt, re-
bellierten, stößt bei dem Berater auf das
größte Unverständnis.
Und warum das alles? „Man glaubt,
durch möglichst eindrückliche Erleb-
nisse den Lernerfolg beim Individuum
nachhaltig zu steigern“, erklärt Kern.
Doch was für den einen eventuell eine
einprägsame Erfahrung sei, könne bei
einem anderen Menschen wiederum
lediglich gähnende Langeweile hervor-
rufen, so Kern weiter. Er plädiert dafür,
diese Praxis kritisch zu hinterfragen. Zu
naiv seien zum Teil die Vorstellungen,
mit denen dabei gearbeitet werde. Dabei
prangert er besonders das Argumentie-
ren mit neurologischen „Erkenntnissen“
an, die als plumpe Begründung für sol-
che Maßnahmen herhalten müssen. So
ließen sich keine Teams und Persönlich-
keiten entwickeln, ist der Unternehmens-
berater überzeugt. Ein Grund für seine
ablehnende Haltung mag sicherlich auch
dem geschuldet sein, dass er weiß, wo-
von er spricht. Er hat selbst schon einmal
an einem solchen Managementtraining
teilgenommen und sich ausgiebig mit
dieser Thematik beschäftigt. Doch was
bewog Carmen Losmann, genau diese
Trainingsmethode im Film vorzustellen?
„Ich habe ein Outdoor-Training gefilmt,
weil ich diese Methode insofern inte-
ressant fand, als dass dabei die Natur
als etwas quasi Ursprünglicheres oder
Kontrapunktisches zur modernen Ar-
beitswelt von unternehmerischen In-
teressen durchdrungen und in Betrieb
genommen wird“, erklärt die Regisseu-
rin. Eine explizite Wertung sei – wie bei
allen Szenen – nicht inbegriffen, betont
sie. „Ich habe vielmehr versucht mit der
Kamera eine kritische Distanz zu setzen,
um letztendlich das, was uns alltäglich
betrifft, sichtbar zu machen und zur Dis-
kussion zu stellen.“
Unterschätzte Mitarbeiter
Es möge ja sein, dass Losmann keine ex-
plizite Meinung in Form eines Kommen-
tars formuliere, doch spräche gerade die
Auswahl und Inszenierung der Szenen
eine gänzlich andere Sprache, wirft Kern
der Regisseurin vor. Am meisten stört
ihn, wie der Mitarbeiter im Film abge-
bildet wird. So wird er seiner Meinung
nach „viel zu verkürzt dargestellt“ – und
zwar in zweierlei Hinsicht: „Zum einen
werden überwiegend Mitarbeiter in Ver-
waltungsfunktionen gezeigt. Man sieht
beispielsweise keine Arbeiter am Band
von BMW oder in der Produktion bei
BASF.“ Ebenso sehe man auch keine Vor-
stände, die mit dem Betriebsrat disku-
tierten. Zweitens würden die Mitarbeiter
Kern zufolge vorrangig in speziellen Si-
tuationen gezeigt, die neben der Arbeit
passieren, sei es zum Beispiel bei einem
Outdoor-Training oder in einem Assess-
mentcenter. „Man sieht kaum, was sie
eigentlich tun, wenn sie arbeiten. Und
man hört und sieht sie nicht über ihre
Arbeit reflektieren und reden“, so Kern.
Nur in wenigen Szenen des Films wer-
de die Selbstreflexivität der Mitarbeiter
kurz spürbar. Schillerndes Beispiel da-
für sei die Angestellte eines hessischen
Solarunternehmens, die durch eine Un-
ternehmensberaterin von Kienbaum ei-
ner Potenzialanalyse unterzogen wird:
Während die Beraterin souverän – fast
schon ritualisiert – ihren üblichen Fra-
genkatalog abspult, fällt sie deutlich aus
der Rolle. Fragen nach ihren Stärken und
Schwächen quittiert sie vor allem mit
häufigem Lachen. Auch sonst scheint es,
als nähme sie sich nicht allzu ernst. In
ihren Augen sei das Berufsleben letztlich
auch nur ein Spiel, sagt sie gut gelaunt.
Spätestens im Feedbackgespräch ist
von der anfänglichen guten Laune aller-
dings nicht mehr viel übrig. Die Kritik
an ihrer Person, besonders an ihrem
irritierenden Lachen, nimmt sie nicht
schweigend hin. Sie wagt sogar, der Be-
raterin direkt zu widersprechen. „Das
stimmt so nicht“, entgegnet sie auf die
Einschätzung ihrer Person. Eine Diskus-
sion scheint unausweichlich, doch wird
diese zum Missfallen von Kern im Film
gerade nicht gezeigt. „Wenn man genau
hinschaut, wird diese Irritation im Film
einfach weggebügelt – unter anderem
auch, weil alle wissen, dass die Kamera
läuft“, so Kerns These.
Grundsätzlich hätte er sich gewünscht,
dass Losmann dies stärker hätte akzen-
tuieren können. Stattdessen entstehe
das Bild des „armen Mitarbeiters, der
unterschwellig, zum Teil auch bewusst,
wenn nicht sogar gegen seinen Willen
vom Unternehmen beeinflusst werden
soll“, gibt Kern zu bedenken. Dabei wer-
de übersehen, dass es sich dabei um
gebildete Personen handele, die genau
wüssten, wo sie da mitmachen. „Dank
der Fülle an Bewerbungs- und Selbst-
„Ich habe versucht
mit der Kamera
eine kritische
Distanz zu setzen,
um das, was uns
alltäglich betrifft, zur Diskus-
sion zu stellen.“
Carmen Losmann, Regisseurin und Drehbuchautorin
von „Work hard – play hard“
„Der Film
vermittelt
das Bild des
armen
Mitarbeiters,
der unterschwellig vom
Unternehmen beein-
flusst werden soll.“
Dieter Kern, Head of HR Transformation,
Mercer Deutschland