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RECHT
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BETRIEBSGRÖSSE
Liebe Personalexperten,
nicht wenige gesetzliche
Pflichten für Arbeitgeber beginnen erst dann,
wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten
sind. Am geläufigsten dürfte dabei die Kleinbe-
triebsklausel nach dem Kündigungsschutzgesetz
sein. Aber auch die Betriebsgrößenstaffelung für
die zu erfüllende Schwerbehindertenquote dürfte
jedem Unternehmen bekannt sein.
Durchstöbert man das gesamte Arbeitsrecht,
so stößt man auf Dutzende weitere Schwellen-
werte.
Hier sollten Sie jeweils rechtzeitig wissen,
welche direkten und indirekten Folgen aus Ihrer
Betriebsvergrößerung resultieren. Vieleicht
wissen Sie ja schon, dass ab 100 Arbeitnehmern
zwingend ein Abfallbeauftragter zu bestellen ist
und überlassen diese Position halbherzig einem
Mitarbeiter, den Sie ohnedies für chronisch
unterbeschäftigt halten. Haben Sie aber schon mal
davon gehört, dass ein Abfallbeauftragter über
eine komplizierte gesetzliche Verweisungskette
einen besonderen Kündigungsschutz genießt?
Warum entsteht aber immer wieder Streit über
die Frage, ob ein bestimmter Schwellenwert
überschritten ist?
Das richtige Zählen ist hier des-
wegen schwierig, weil bei den überwiegenden
Schwellenwerten nicht die an einem Stichtag tat-
sächlich beschäftigten Mitarbeiter der Betriebs-
größe zugrunde zu legen sind. Vielmehr ist diese
an der Anzahl der Mitarbeiter, die „in der Regel“
beschäftigt sind, festzumachen. Die richtige Zahl
enthält also auch Elemente einer Schätzung, die
aus der Betrachtung der Vergangenheit und einer
Zukunftsprognose bestehen. An dieser Stelle kann
sich ein (notfalls auch gerichtlicher) Streit über
die richtige Betriebsgröße durchaus auszahlen. So
wenn beispielsweise unterschiedliche Ansichten
über die Überschreitung der Betriebsgröße „500“
bestehen. Hier geht es unter anderem um eine
zusätzliche Betriebsratsfreistellung und um
das Einsetzen von Mitbestimmungsrechten im
leitet das Ressort Recht im
Personalmagazin.
Thomas Muschiol
KOLUMNE. Wenn sich die Anzahl der Mitarbeiter
ändert, können bisher unbekannte Pflichten auftau-
chen und zu überraschenden Folgefehlern führen.
Schwellenwerte sollte man
ernst nehmen
Ein Streit über
die Betriebs-
größe kann sich
auszahlen
Aufsichtsrat. Und damit es nicht zu einfach wird:
Auch für die Frage, welcher Personenkreis zu
berücksichtigen ist, gibt es unterschiedliche Vari-
anten. Am weitesten geht der Gesetzgeber dann,
wenn er nicht den Begriff des Arbeitnehmers,
sondern den des „Beschäftigten“ wählt, denn hier
sind auch selbstständige, arbeitnehmerähnliche
Personen einzubeziehen.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es bei der
Frage, ob Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten
zu berücksichtigen sind.
Eine Einbeziehung wird
zwar bisher von den Gerichten überwiegend
abgelehnt. Dass sich dies aber möglicherweise
ändern wird, zeigt eine aktuelles Urteil des BAG
(nachzulesen auf Seite 63 in dieser Ausgabe).
Danach sind beim Schwellenwert, der die Pflicht
nach sich zieht, bei Betriebsänderungen einen
Interessenausgleich durchzuführen, auch Leih-
arbeitnehmer mitzuzählen. Ein teurer „Schwel-
lenirrtum“ für den Arbeitgeber, der dies im
entschiedenen Fall anders gesehen hatte. Denn
Sie wissen ja: Ein nicht versuchter Interessenaus-
gleich führt zu Abfindungsansprüchen betrof-
fener Arbeitnehmer im Wege des sogenannten
Nachteilausgleichs.
Dennoch oder umso mehr: Alles Gute und bis zur
nächsten Ausgabe.
Bei der
Entgeltabrechnung
setze ich auf ADP.
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