79
RECHT
11 / 11 personalmagazin
ARBEITSZEUGNIS
Liebe Personalexperten,
nicht so lang wie
dieses Bibelgebot – aber immerhin schon mehr
als hundert Jahre – gibt es die gesetzliche
Pflicht für Arbeitgeber, ein wahrheitsgemäßes
Arbeitszeugnis auszustellen. Allerdings haben die
Arbeitsgerichte den Pfad der christlichen Vorgabe
verlassen und neben der Wahrheitspflicht eine
ranggleiche weitere Verpflichtung eingeführt.
Zeugnisse sollen demnach einerseits wahr, ande-
rerseits aber stets „wohlwollend“ ausfallen.
Dass diese gleichberechtigten Vorgaben bei der
Ausstellung von Arbeitszeugnissen zu schier
unauflösbaren Formulierungskonflikten führen
können, liegt auf der Hand.
Letztlich hat dies
erst dazu geführt, dass die Gerichte sich mit der
sogenannten Geheimsprache befassen müssen,
bei der offensichtlich versucht wird, die Wahr-
heit hinter dem Wohlwollen zu verstecken.
Auch heute ist immer wieder der zweifelhafte
Rat zu vernehmen, Zeugnisse nach angeblichen
Geheimcodes auszuwerten
– oder gar von
selbst ernannten Zeugnisexperten auswer-
ten zu lassen. Denken Sie aber daran: Der
Erkenntniswert derartiger Analysen ist schon
deswegen zweifelhaft, weil Sie damit rechnen
müssen, dass viele Arbeitgeber gerade aus der
Unsicherheit heraus, hier Fehler zu machen,
auf Musterformulierungen und betriebsinterne
Vorlagen zurückgreifen. So manche Formulie-
rung, die ein Zeugnisanalyst als problematisch
bezeichnen wird, ist daher möglicherweise ohne
große Reflexion einem solchen Vorlagenfundus
entnommen worden.
Oftmals sind Arbeitszeugnisse auch schlicht
und einfach Teil eines Kompromisses, der einen
arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit beendete.
Dies gilt selbst dann, wenn in der Sache um
schwerwiegende arbeitsvertragliche Defizite
gestritten wurde. So gut wie immer, so zeigt
meine Erfahrung vor Arbeitsgerichten, erscheint
leitet das Ressort Recht im
Personalmagazin.
Thomas Muschiol
KOLUMNE. Wer diese christliche Vorgabe bei der
Erstellung eines Arbeitszeugnisses einhalten will,
dem machen es die Arbeitsgerichte nicht leicht.
Du sollst nicht falsch
Zeugnis geben
Bei der
Tätigkeits-
beschreibung
genau hinsehen
in gerichtlichen Vergleichen vor der allgemeinen
Erledigungsklausel noch ein Hinweis auf ein
noch auszustellendes Zeugnis. Etwa wie folgt:
„Der Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein
wohlwollendes Zeugnis mit der Note sehr gut,
sowie einer Grußformel auszustellen.“ Bisweilen
greift sogar der Arbeitsrichter selbst zur Feder
und krönt den Vergleich noch mit einem wohl-
wollenden zusätzlichen Formulierungsvorschlag.
Was bleibt ist die Erkenntnis: Arbeitszeugnisse
können treffend und wahrheitsgemäß, aber
auch grottenfalsch sein. Auch Nachfragen beim
vorherigen Arbeitgeber klären hier häufig nichts
auf, denn wer wird schon freimütig preisgeben,
dass er es mit der Pflicht zur wohlwollenden
Beurteilung etwas übertrieben hat.
Dies gilt jedoch nicht für die reine Tätigkeits-
beschreibung.
Hier gibt es den Grundsatz der
wohlwollenden Bewertung nicht. Wenn Sie
an besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten
interessiert sind und Ihnen die Fülle der be-
scheinigten Tätigkeiten im Arbeitszeugnis nicht
ganz geheuer vorkommt, sollten Sie zunächst
dem Bewerber auf den Zahn fühlen und sich bei
Zweifeln auch nicht scheuen, beim bisherigen
Arbeitgeber anzufragen.
Alles Gute und bis zur nächsten Ausgabe.
Bei der
Entgeltabrechnung
setze ich auf ADP.
www.de.adp.com
HR.Payroll.Benefits.
www.de.adp.com