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ARBEITNEHMERÜBERLASSUNG
Fachanwalt für Arbeits-
recht, Allen & Overy LLP,
Frankfurt
Dr. André Zimmermann
ENTGELTABRECHNUNG
Leistungen an Betriebsfremde
Die neue Pflicht zur Teilhabe an Gemeinschaftseinrichtungen muss der Prak-
tiker auch bei der Entgeltabrechnung berücksichtigen. Wir haben dazu einen
Entgeltspezialisten befragt.
Mir der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungs-
gesetzes holen sich die Zeitarbeitsfirmen eine neue
Lohnart ins Haus: die Lohnzahlung Dritter. Dem
Lohnsteuerabzug – und damit auch der Sozialversiche-
rungspflicht – unterliegt auch der Arbeitslohn, der von
einem Dritten, also dem Entleihunternehmen, dem
Arbeitnehmer zugewendet wird. Der § 38 Abs. 1 Satz
3 EStG verpflichtet den eigentlichen Arbeitgeber, also
die Zeitarbeitsfirma, dazu, die Lohnsteuer auf Drittlöh-
ne einzubehalten, wenn „der Arbeitgeber weiß oder
erkennen kann“, dass derartige geldwerte Vorteile
vom Entleihunternehmen erbracht werden.
Da der Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen für
Leiharbeitnehmer ab 1. Dezember 2011 gesetzlich
geregelt ist, müssen die Zeitarbeitsunternehmen
klären, ob durch die Nutzung geldwerte Vorteile bei
ihren Mitarbeitern entstehen. Häufigster Punkt wird vermutlich die Nutzung von Kantinen
sein. Hier entsteht ein geldwerter Vorteil, wenn der Zeitarbeitnehmer weniger als die ak-
tuellen Sachbezugswerte für das Essen bezahlen muss. Für 2011 sind das 2,83 Euro für ein
Mittag- oder Abendessen beziehungsweise 1,53 Euro für ein Frühstück. Die Praxis zeigt,
dass in den meisten Kantinen diese Mindestbeträge erhoben werden – gerade um die
geldwerten Vorteile zu vermeiden. Auch die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen führt
zu keinem geldwerten Vorteil, wenn sich damit die Einsatzbereitschaft des Zeitarbeitneh-
mers im Einsatzunternehmen erhöht (vergleiche 19.7. LStR 2011). Die Überlassung von
Parkplätzen auf dem Betriebsgelände bleibt – auch bei Nutzung durch Zeitarbeitnehmer
– steuerfrei, solange die Parkplätze nicht namentlich zugeordnet sind. Dies gilt auch dann,
wenn der Arbeitgeber die Betriebsparkplätze angemietet hat.
Im Übrigen gilt die Faustformel: Alle Zuwendungen, die das Entleihunternehmen als
geldwerte Vorteile bei der „Stammbelegschaft“ erfasst, müssen zukünftig auch die
Verleihunternehmen als geldwerte Vorteile erfassen. Steuerbefreiungen – wie zum
Beispiel für die Betreuung nicht schulpflichtiger Kinder – gelten für die Zeitarbeitnehmer
im gleichen Maße. Das wird in der Fachliteratur zwar gelegentlich bezweifelt, aber es ist
davon auszugehen, dass die Finanzämter diese Leistungen als „arbeitgeberveranlasst“
akzeptieren. Es wäre sinnvoll, wenn die Entleihunternehmen die Zeitarbeitsunternehmen
darüber informieren, welche geldwerten Vorteile in welcher Höhe den Zeitarbeitnehmern
aufgrund der neuen Rechtslage zugewandt werden.
Andreas Sprenger,
Steuerberater und Seminar-
referent für Fragen der
Entgeltabrechnung
Schulungseinrichtungen, Sportanlagen
und Parkplätze im Einsatzunternehmen,
nicht aber – mangels Dauerhaftigkeit –
Verananstaltungen wie Betriebsausflü-
ge und Betriebsfeiern. Die Gewährung
des Zugangs zu den Einrichtungen und
Diensten stellt einen geldwerten Vorteil
dar im Sinne des Steuer- und Sozialversi-
cherungsrechts (vergleiche die Ausfüh-
rungen auf dieser Seite).
Ausnahme: Sachlicher Grund zur unter-
schiedlichen Behandlung
Dem Leiharbeitnehmer ist Zugang zu
den Gemeinschaftseinrichtungen und
-diensten unter den gleichen Bedin-
gungen zu gewähren wie vergleichbaren
Arbeitnehmern im jeweiligen Einsatzbe-
trieb, falls und soweit nicht eine unter-
schiedliche Behandlung aus sachlichen
Gründen gerechtfertigt ist. Nach der
Gesetzesbegründung kann ein an der
individuellen Einsatzdauer gemessen
unverhältnismäßig hoher Organisa-
tions- oder Verwaltungsaufwand bei der
Gewährung des Zugangs ein sachlicher
Grund sein.
Beispiel (nach Hamann NZA 2011, 70,
77): Eine Benutzungsregelung für einen
Betriebskindergarten schließt Arbeit-
nehmer aus, die voraussichtlich nicht
länger als ein Jahr im Betrieb tätig sein
werden.
Anspruch ist durchsetzbar und
bußgeldbewehrt
Gewährt der Entleiher den Zugang nicht,
kann der Leiharbeitnehmer auf Zugang
klagen und Schadensersatz verlangen,
wenn ihm der Zugang ohne sachlichen
Grund verwehrt wird. Ein Verstoß gegen
die Zugangsverpflichtung kann als Ord-
nungswidrigkeit mit Bußgeld von bis zu
2.500 Euro geahndet werden.
Von
Andreas Sprenger.