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BONUSSYSTEME
personalmagazin 11 / 11
„Nicht an Systemen festhalten“
INTERVIEW. Infineon hat sein variables Vergütungsmodell radikal verändert.
Was andere Unternehmen von diesem Beispiel lernen können – und was nicht.
personalmagazin:
Herr Marquardt, Sie ha-
ben bei Infineon das Vergütungssystem
umgestellt und dabei den individuellen
Anteil am Bonus abgeschafft. Wie kam
es dazu?
Thomas Marquardt:
Wir haben beobachtet,
dass unsere Mitarbeiter kontinuierlich
über dem 100-Prozent-Zielwert beim
Individualbonus lagen. Der Bonus war
darum nicht flexibel. In der Krise kam
es zu dem Effekt, dass der Konzern Ver-
luste verkraften und trotzdem Bonus-
zahlungen ausschütten musste. Das war
der Impuls, das Modell umzustellen.
personalmagazin:
Der Unternehmenser-
folg und der Individualbonus waren bei
Infineon nicht im Einklang. Ist das ein
grundsätzliches Problem in Bonussyste-
men, Herr Kramarsch?
Michael H. Kramarsch:
Das passiert, wenn
Finanzierung und Verteilung im Bonus-
system nicht klar getrennt sind. Dann
verkommt die Leistungsbeurteilung
zum ausgleichenden Gehaltsmanage-
ment. Individuelle Leistung und Unter-
nehmens-Performance müssen atmen
– aber nicht zwingend im Einklang.
Marquardt:
Für uns war es aber in der
Krise ein essenzielles Problem. Die
Führungskräfte haben die Leistung
ihrer Mitarbeiter über Zyklen hinweg
positiv eingeschätzt und entsprechend
haben diese den Bonus als Teil ihres
Fixgehalts betrachtet. Damit ging uns
die Motivations- und Flexibilitätsfunkti-
on verloren.
personalmagazin:
Das heißt, Infineon hatte
mit der berühmten Tendenz zur posi-
tiven Bewertung zu kämpfen. Ist das
auch in anderen Firmen ein Problem?
Kramarsch:
Eine rechtsschiefe Verteilung
in der Bewertung gibt es tatsächlich
häufig. Das ist bekannt. Aber ich halte
dieses Phänomen an sich nicht für
problematisch.
Marquardt:
Ich würde auch nicht sagen,
dass unser Problem ausschließlich die
Tendenz zum Positiven war. Vielmehr
müssen wir hier noch genauer die Ur-
sachen betrachten: Unser Fixgehalt war
verhältnismäßig niedrig angesetzt. Die
Mitarbeiter kamen über den Bonus auf
ein marktgerechtes Gehalt.
personalmagazin:
Heißt das, ein Bonussys-
tem kann nur dann überhaupt richtig
wirken, wenn das Fixgehalt wettbe-
werbsfähig ist?
Kramarsch:
Ja, das ist so. Im Fall der
Banken ist dieser Grundsatz sogar
explizit vorgeschrieben. Hier ist die
Vergütungsstruktur so auszugestalten,
dass Mitarbeiter auch in schlechten Jah-
ren mit einem Nullbonus angemessen
vergütet sein müssen. Der Bonus muss
so gestaltet sein, dass er ausreichende
Anreizwirkung entfaltet, aber keine
übertriebene Risikoneigung beinhaltet.
Im Prinzip kommt es schlussendlich
darauf an, für wettbewerbsfähige
Vergütungspakete nicht nur auf die Ge-
samtsumme abzuzielen, sondern auch
auf die vernünftige Zusammensetzung
zu achten.
ist Managing Partner der Unterneh-
mensberatung Hostettler, Kramarsch &
Partner (HKP).
Michael H. Kramarsch
ist seit 2003 Global Head of Human
Resources der Infineon Technologies AG
in München.
Dr. Thomas Marquardt