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BONUSSYSTEME
personalmagazin 11 / 11
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Airlines beispielsweise konnte in den
90er-Jahren durch einen monatlichen
Bonus von 65 Dollar die Pünktlichkeit
seiner Maschinen deutlich verbessern
(siehe Kasten auf Seite 15).
Komplexe Arbeitssysteme erfordern
ebenso komplexe Bonussysteme
Trotz der großen Chancen von Anreiz-
systemen sind sie nicht ohne Risiken.
Insbesondere bei individuellen Anreizen
gilt: Das Engagement der Mitarbeiter
verlagert sich hin zu den Aufgaben, die
finanziell honoriert werden. Dies kann
zum Problem werden, wenn Mitarbeiter
mehrere wichtige Aufgabengebiete ha-
ben, jedoch nicht alle in ein variables
Vergütungssystem eingebunden sind.
Steht der Umsatz eines Mitarbeiters im
Vertrieb im Vordergrund, legt dieser we-
niger Wert auf eine Beratung im Sinne
des Kunden. Werden Mitarbeiter in ei-
ner Versandabteilung anhand der Pünkt-
lichkeit und Anzahl der Postausgänge
vergütet, werden häufiger fehlerhafte
Produkte versendet.
Komplexere Arbeitsumgebungen
erfordern deswegen komplexere Ver-
gütungsansätze mit mehr Zielgrößen.
Insbesondere Schnittstellen zwischen
Mitarbeitern oder Abteilungen können
für Probleme sorgen. Sind bestimmte
Größen nicht genau messbar, ist eine
subjektive Leistungsbeurteilung von
Vorgesetzten eine Möglichkeit, weiche
Faktoren mit in die variable Lohnkom-
ponente einzubeziehen. In jedem Fall
müssen Aufgabenbereiche und Ar-
beitsabläufe bei der Verwendung vari-
abler Vergütung genau analysiert und
gegebenenfalls angepasst werden, um
Fehlsteuerungen zu vermeiden. Einige
Unternehmen entscheiden sich auf-
grund dieser Problematik jedoch auch,
ganz auf individuelle Leistungsanreize
zu verzichten (siehe das Praxisbeispiel
von Infineon ab Seite 17).
Die Kollateralschäden von Boni: Wenn
das Ziel zu eindimensional ist
Werden Mitarbeiter variabel vergütet,
gehen sie auchmehr Risiken ein, um ihre
Ziele zu erreichen. Für viele Arbeitsplät-
ze scheint dieser Faktor nicht relevant
zu sein, aber er spielt keineswegs nur
bei Investmentbankern und Fondsmana-
gern, die „lediglich“ finanzielle Schäden
verursachen, eine Rolle. Einige Berufe
wie Busfahrer, Elektriker oder Bauar-
beiter sind bisweilen mit erheblichen
Risiken verbunden. Leider sind zu die-
sem Thema noch keine aussagekräftigen
Daten verfügbar. Es sollte jedoch darauf
geachtet werden, dass Sicherheits- und
Arbeitsvorschriften auch unter finan-
ziellen Anreizen ernst genommen und
eingehalten werden. Ein Negativbeispiel
liefern variabel vergütete Busfahrer in
Santiago de Chile, die in 67 Prozent mehr
Unfälle pro Kilometer verwickelt sind,
als ihre fix vergüteten Kollegen (siehe
Kasten links).
Variable Vergütungskomponenten
haben aus wissenschaftlicher Sicht im
Vergleich mit fixer Entlohnung das Po-
tenzial, das Engagement der Mitarbei-
ter und somit den Unternehmenserfolg
zu erhöhen. Ein Patentmodell von der
Stange gibt es jedoch nicht. Bevor ein
Unternehmen ein Vergütungsmodell mit
variablen Anteilen einführt, sollte eine
genaue Analyse der Organisation und
der Abläufe vorausgehen. Nur so kann
das Instrument mit Augenmaß zum Er-
folg führen.
PRAXIS
Fallbeispiel 2: Individuelle Ziele
Das Fallbeispiel von chilenischen Busfahrern zeigt anschaulich, dass Arbeitgeber
individuelle Ziele genau definieren müssen. Sind sie zu eindimensional gestaltet,
verstärkt der Bonus unerwünschte Nebenwirkungen.
Die Fahrer der zirka 8.000 Busse in Santiago de Chile werden überwiegend nach Anzahl der
beförderten Passagiere bezahlt. Einige der Busfahrer erhalten jedoch einen Fixlohn. Ein Ver-
gleich von durchschnittlicher Wartezeit pro Passagier und Unfällen pro gefahrenen Kilometer
zeigt, dass die individuellen Anreize eine positive Auswirkung auf die Transportqualität
haben. Variabel vergütete Busfahrer versuchen, den Abstand auf den vorherigen Bus nicht zu
klein werden zu lassen, da sie so mehr Passagiere befördern können. Dies führt zu geringeren
Wartezeiten. Ein Vergleich der Unfallzahlen zeigt jedoch, dass variabel vergütete Busfahrer
in 67 Prozent mehr Unfälle verwickelt sind und 74 Prozent mehr Unfälle selbst verursachen.
Ein erhöhtes Risiko wird insbesondere
dann eingegangen, wenn ein nahe
vorausfahrender Bus überholt wird
um die Anzahl an beförderten Passa-
gieren zu steigern. Die Autoren der
Studie schätzen, dass bei einer Um-
stellung auf fixe Vergütung jährlich
zirka 55 weniger Verkehrstote, 227
weniger schwer Verletzte und 1.400
weniger leicht Verletzte auftreten.
Passagiere schneller befördern – ohne Unfälle.
©FOTOLIA.COM
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Seminar für ABWL und Personalwirt-
schaftslehre der Universität zu Köln
Claus Herbertz