Seite 66 - personalmagazin_10_2011

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SPEZIAL
ZEIT, ZUTRITT, PEP
66
BRANCHENTRENDS
„Flexibilität wirdwichtiger“
INTERVIEW. Die demografische Entwicklung macht Zeitwirtschaft und Personal-
einsatzplanung noch bedeutsamer für Unternehmen – und noch komplexer.
personalmagazin:
Inwieweit wird die
demografische Entwicklung in Deutsch-
land die Zeitwirtschaft beeinflussen?
Burkhard Scherf:
Demografie ist aus
meiner Sicht einer der ganz wichtigen
gesellschaftlichen Megatrends, der sich
ziemlich stark auf die Unternehmen
auswirken wird. Die Belegschaften
werden älter, das Rentenalter geht nach
oben und damit werden die Betriebe
umgehen müssen. Das heißt, in Zukunft
haben Unternehmen viel mehr Fragen,
etwa: Wie können sie ältere Mitarbeiter
weiterhin beschäftigen? Sie werden
an vielen Stellen etwas tun müssen, ins-
besondere bei den Arbeitszeitmodellen
und bei der Schichtplanung.
personalmagazin:
Sind diese Themen
schon in den Unternehmen angekom-
men?
Scherf:
Es gibt immer mehr Unterneh-
men, die sich diesen Themen zuwen-
den. Aber viele Unternehmen kümmern
sich weiterhin lediglich um die kurzfris-
tigen operativen Themen. Das ist die
Herausforderung beim Thema Demo-
grafie: Es geht um einen langfristigen
Effekt, der heute schon zu wirken
beginnt, dessen gravierendere Auswir-
kungen allerdings erst in der Zukunft
liegen. Daher gibt es die Tendenz, das
etwas auf die lange Bank zu schieben.
Das ist aus meiner Sicht sehr gefähr-
lich, denn die Maßnahmen, um diesem
Effekt gegenzusteuern, brauchen Zeit.
personalmagazin:
Mit welchen Fragestel-
lungen kommen die Unternehmen in
die Arbeitszeitberatung?
Scherf:
Das ist ein größeres Spektrum.
Das Thema Demografie nimmt an
Gewicht zu. Zunächst geht es um die
Frage: Wie wird sich Demografie kon-
kret auswirken und was können wir in
Sachen Arbeitszeit tun, um die Effekte
abzumildern. Außerdem: Wie können
wir Lebensarbeitszeitkonten sinnvoll
gestalten, sodass sie mit kurzfristigeren
Zeitkonten gut zusammenspielen? Wie
können Modelle aussehen, die älteren
Mitarbeitern die Möglichkeit geben,
ihre Arbeitszeit schrittweise zu reduzie-
ren oder weniger Schichten zu leisten?
personalmagazin:
Gibt es weitere Themen?
Scherf:
Die Unternehmen kommen auch
mit ganz normalen Themen der Arbeits-
zeitgestaltung zu uns. So stellen sich
Finanzdienstleister verstärkt die Frage,
wie sie in ihren Kundenservicebe-
reichen Arbeitszeit besser organisieren.
Die klassische Gleitzeit funktioniert
dort nicht mehr so gut, da die Arbeits-
zeiten verstärkt an die Kundenbedürf-
nisse angepasst werden müssen. In
Produktion und Logistik geht es häufig
um das Aufstellen einer guten Perso-
nalbedarfsprognose und in diesem
Zuge um die Optimierung der Arbeits-
zeitmodelle sowie die Sicherstellung
der Flexibilität in den Schichtmodellen.
Diese wird immer wichtiger, da starre
Systeme heute in keiner Branche mehr
funktionieren.
personalmagazin:
Spielt die Personalein-
satzplanung auch eine Rolle?
Scherf:
Eine große. Ein reines Arbeits-
zeitmodell ist immer zu wenig. Um
bedarfsorientiert arbeiten zu können,
ist ein Kreislauf aus Prognose, Planung
und Controlling nötig. Das ist das, was
wir unter Personaleinsatzplanung
verstehen: einen in sich geschlossenen
Kreislauf zu erstellen, an dessen
Anfang eine Prognose steht, bei der wir
aus Daten der Vergangenheit ableiten,
wie wahrscheinlich der Bedarf in Zu-
kunft sein wird. Dementsprechend wird
geplant, hinterher ausgewertet und eine
neue Prognose erstellt. Hierzu werden
flexible Arbeitszeitmodelle benötigt.
Diese müssen aber auch so gesteuert
werden, wie es dem Bedarf entspricht.
Und das ist in den meisten Fällen
schwierig, wenn die entsprechenden
Steuerungsmethoden fehlen.
personalmagazin 10 / 11
ist Gründer und Partner der Unterneh-
mensberatung Dr. Scherf Schütt & Zander
und Experte für Arbeitszeitmanagement
und Personaleinsatzplanung.
Dr. Burkhard Scherf