Seite 52 - personalmagazin_10_2011

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besonders ausgefeilten Instrumenten.
Diese gelten dann als nachahmenswert.
Nur selten sind es einfache Instrumente,
die als Vorbild dienen. Diese Defizitbe-
hauptung ist ein beliebtes Argument von
Vorzeigeunternehmen (als Richtschnur)
und Beratungsdienstleistern (mit Pro-
dukten).
Gegen überzüchtete Systeme angehen
Mit diesem Essay möchten wir ein
klein wenig dagegenhalten. Wir möch-
ten Ihnen mitgeben: Keine Sorge! Der
Professionalisierungszug fährt selbst
In der Einfachheit liegt die Kraft
MEINUNG. Viele Personalabteilungen neigen dazu, zu viele und zu komplizierte
Instrumente und Prozesse einzusetzen. So stutzen Sie diese Auswüchse zurück.
E
ine weitere Professionalisie-
rung der HR-Funktion ist heute
von vielen gewollt. Sie wird von
Verbänden wie dem Bundes-
verband für Personalmanager (BPM)
und bei Hochleistungsorganisationen
wie etwa Airbus als Element der stra-
tegischen Agenda bewusst forciert. In
Ausgabe 2/2011 des Personalmagazins
hat Professor Ewald Scherm von der
Fernuniversität in Hagen dazu sieben
Ansätze aufgezeigt. Ein achter, in der
Praxis oft gewählter Weg ist die hoch-
gradig differenzierte und detaillierte
Ausgestaltung von Strukturen, Prozes-
sen, Systemen, Instrumenten und Nor-
mierungen im Personalmanagement.
Für dieses „Overengineering“ kann ein
solider Kosten-Nutzen-Nachweis meist
nur bedingt geführt werden. Und für die
Verantwortlichen bei der Anwendung
erfordert der Einsatz von komplizierten
HR-Anwendungen zusätzliche Zeit und
Nerven. In einer ohnehin schon kom-
plexen Welt kann man so auch seinen
internen Kunden das Leben ganz schön
schwer machen. Dazu erinnern viele
Teillösungen wie etwa die als Basis des
Talentmanagements aufgesetzte strate-
gische Personalplanung an eine gut aus-
gebaute, dreistreifige Autobahn, die sich
an der Stadtgrenze auf eine Spur mit
Ampeln verengt und dort doch wieder
Verstopfungen verursacht.
Bei den veröffentlichten Darstellungen
der HR-Szene, in Publikationen und auf
Konferenzen gibt es zudem die Neigung
zur Darstellung von „Best Practices“ mit
ohne die fünf Anhänger diffiziler Struk-
turen, Prozesse, Systeme, Instrumente
und Normierungen nicht so schnell
davon. Im Gegenteil, diese können die
Fahrt sogar bremsen. Wir möchten ein
bewusst einseitiges Plädoyer gegen das
„Overengineering“ im HR-Management
abgeben. Denn eines ist klar: In der Pra-
xis liegt der beste Weg irgendwo in der
Mitte, zwischen völligem Verzicht auf
Systematisierung und der von uns hier
angeprangerten überzüchteten Syste-
matik. In diesem Spannungsfeld bewegt
sich gute Personalarbeit. Denn auch
Von
Martin Claßen
und
Joachim Sauer
ORGANISATION
personalmagazin 10 / 11
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an kathar ina.schmit t@personalmagazin.de
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ORGANISATIONSENTWICKLUNG
Stift und Papier erfüllen manchmal ihren Zweck besser als aufwendige Multimediaanwendungen.