Seite 22 - personalmagazin_10_2011

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„Mehr Kapazität anBord“
INTERVIEW. Bei Trumpf können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeit für zwei Jahre
selbst bestimmen. Mehr Bewerber und mehr 40-Stunden-Verträge sind die Folge.
personalmagazin:
Bei Trumpf können Mit-
arbeiter künftig für zwei Jahre ihre Ar-
beitszeit zwischen 15 und 40 Wochen-
stunden festlegen. Was wäre Ihre Wahl?
Gerhard Rübling:
Ich würde ein Jahr 40
Stunden arbeiten. Davon würde ich
versuchen, zehn Stunden pro Woche
auf mein Freizeitkonto zu bringen. Am
Jahresende hätte ich da genug Stunden,
um drei Monate an die Uni zu gehen.
Ich möchte sehen, was sich in den
letzten 30 Jahren in meinem Fach, der
Industriesoziologie, getan hat.
personalmagazin:
Kann ein Mitarbeiter bei
Ihnen denn die Arbeitsstunden einfach
so hin und her schieben?
Rübling:
Also, zunächst hat im Juli 2011
jeder Mitarbeiter seine sogenannte Ba-
sisarbeitszeit bestimmt. Diese liegt dem
Arbeitsvertrag zugrunde. Mit vielen
Mitarbeitern haben wir nun eine Ar-
beitszeit zwischen 35 und 40 Stunden
vereinbart. Ab Januar darf jeder dann
seine Wahlarbeitszeit zwischen 15 und
40 Stunden pro Woche für die nächsten
zwei Jahre definieren. Da werden die
Leute kommen und – je nach Lebens-
abschnitt – vielleicht ein paar Stunden
mehr oder weniger arbeiten wollen, als
im Arbeitsvertrag festgelegt ist. Zusätz-
lich können sie Stunden auf einem Frei-
zeitkonto ansammeln und blockweise
abbauen. Und nach zwei Jahren beginnt
das Spiel von vorn.
personalmagazin:
Angenommen, die ge-
samte Belegschaft wollte nun wie Sie 40
Stunden oder aber 15 Stunden arbeiten.
Wäre das möglich oder gibt es Grenzen?
Rübling:
Dass sich nun die Arbeitszeiten
bei allen rapide in eine Richtung ver-
ändern, da bin ich als Soziologe nicht
ängstlich. Dazu verändern sich die
Lebenszuschnitte der Menschen, ich
sage mal, zu zäh. Natürlich muss aber
die Wahlarbeitszeit des Mitarbeiters
mit der betrieblichen Organisation ver-
einbar sein. Das ist immer individuell
zu prüfen. Und die Basisarbeitszeit hat
auch mit Tarifverträgen zu tun. Schließ-
lich haben wir noch eine 35-Stunden-
Woche. Daher können wir gar nicht mit
allen Mitarbeitern einen Arbeitsvertrag
mit 40 Stunden vereinbaren. Aber
wir haben nun mit der IG Metall in
unserem Haustarifvertrag ausgemacht,
dass bis zu 40 Prozent der Belegschaft
einen Vertrag mit 40 Stunden pro Wo-
che abschließen können.
personalmagazin:
Wie haben Sie eine
solche Erhöhung durchgesetzt?
Rübling:
Wir haben ein sehr gutes
Verhältnis zu den Vertretern der IG
Metall, für die das Modell auch ein
Pilotprojekt ist. Ich habe ihnen schlicht
den Bedarf erläutert und gesagt: Da gibt
es Leute, die könnten bei uns arbeiten,
aber unsere Arbeitszeitmodelle lassen
das nicht zu. Wir könnten auch viel
mehr Teilzeit fördern, wenn man in
der Arbeitszeit nicht nur nach unten,
sondern auch nach oben abweicht. Ich
bin bereit, von 35 auf 15 Stunden zu
gehen und die Mitarbeiter anschließend
auch wieder auf 35 Stunden zu lassen.
Im Gegenzug müsst ihr mir aber erlau-
ben, dass Mitarbeiter auch 40 Stunden
arbeiten können. Das war der Deal.
personalmagazin:
Gilt diese 40-Prozent-
Grenze für die den Arbeitsverträgen
zugrunde liegende Basisarbeitszeit?
Rübling:
Die Marge ist auf die Basisver-
träge gemünzt und ist mit 35 Prozent
schon fast ausgereizt. Wir haben ja die
Mitarbeiter im Juli gefragt. Hier am
Standort Ditzingen mit 2.500 Mitarbei-
tern gingen 350 Anträge auf Verände-
rung der Basisarbeitszeit ein, davon
zielten 330 Anträge auf eine Erhöhung.
Der Bedarf ist also da. Ich vermute,
nach der Krise möchten die Leute ein-
fach wieder mehr Geld verdienen.
personalmagazin:
Gibt es eine Rangfolge,
wenn die Quote erreicht ist?
personalmagazin 10 / 11
ist Arbeitsdirektor bei der Trumpf-
Gruppe und hat dort ein neues Arbeits-
zeitmodell eingeführt. Mehr dazu
lesen Sie auf Seite 21.
Dr. Gerhard Rübling
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ARBEITSZEIT
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an michael .mi l ler@personalmagazin.de
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