Seite 21 - personalmagazin_10_2011

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TITEL
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ARBEITSZEIT
Drei Bausteine für die Arbeitszeit auf Wunsch
PRAXIS. Mit einem neuen Modell möchte Trumpf mehr Arbeitnehmer anlocken.
Zugleich schafft es das Unternehmen aber, längere Arbeitszeiten zu etablieren.
E
s klingt durchaus verlockend,
frei wie ein Selbstständiger sei-
ne Arbeitszeit festzulegen und
dennoch pünktlich am Monats-
anfang den Lohn des Arbeitgebers über-
wiesen zu bekommen. Die freieWahl gibt
es aber nur bedingt. „Natürlich muss die
Arbeitszeit des Mitarbeiters mit der be-
trieblichen Organisation vereinbar sein“,
sagt Gerhard Rübling, Arbeitsdirektor
bei Trumpf, über das Arbeitszeitmodell
des Unternehmens (lesen Sie dazu das
Interview auf Seite 22). Dennoch enthält
es einen neuen Ansatz: Arbeitnehmer
können für zwei Jahre entscheiden, wie
lange sie pro Woche arbeiten möchten.
Drei-Säulen-Modell
Das Programm besteht im Prinzip aus
drei Bausteinen. Der erste ist die soge-
nannte Basisarbeitszeit. Diese Wochen-
arbeitszeit ist die Grundlage für den
Arbeitsvertrag und damit dem Arbeit-
nehmer garantiert. Darauf aufbauend
folgt Baustein Nummer zwei, die Wahl-
arbeitszeit. Ab Januar 2012 kann jeder
Mitarbeiter bei Trumpf seine persönliche
Arbeitszeit zwischen 15 und 40 Wochen-
stunden angeben. Passen Wunsch und
betriebliche Realität zusammen, so gilt
die vereinbarte Wahlarbeitszeit für zwei
Jahre. Gleichzeitig soll der Arbeitsver-
trag garantieren, dass der Mitarbeiter
nach dieser Zeit auf sein ursprüngliches
Pensum zurückkommt, wenn er möchte.
Die Arbeitszeit passt sich so den je-
weiligen Lebensphasen an. Während der
junge Ingenieur sich noch 40 Stunden
und mehr pro Woche beweisen will, ist
der Familienvater eventuell froh, mehr
Zeit mit Frau und Kind verbringen zu
können. Dabei scheint der Zeitraum von
zwei Jahren rechtlich geschickt gewählt,
beispielsweise um Aushilfskräfte für
diese Periode befristet einzustellen.
Momentan ist Befristung bei Trumpf
wohl kein Thema. Das Unternehmen
sucht händeringend neue Arbeitnehmer.
Gerade hier hilft der Firma das ThemaAr-
beitszeit aber weiter, und zwar auf zwei-
erlei Weise: Einerseits versucht Trumpf
die bestehende Lücke durch mehr Mit-
arbeiter zu verringern. „Weil unser Ar-
beitszeitmodell attraktiv ist, vergrößern
wir den Pool an Bewerbern, die interes-
siert sind, bei uns zu arbeiten“, erklärt
Arbeitsdirektor Rübling im Interview.
Mit Erfolg, sind die Bewerberzahlen
zuletzt doch sprunghaft angestiegen.
Andererseits nutzt das Unternehmen
aber auch vorhandene Potenziale. So hat
Trumpf zur Vorbereitung des neuen Mo-
dells im Juli 2011 die Basisarbeitszeiten
neu abgefragt. Dabei wünschten sich
350 Mitarbeiter am Standort Ditzingen,
ihre Basisarbeitszeit zu verändern,
330 davon begehrten eine Erhöhung
der Arbeitszeit. Dazu kommt noch die
Sonderregel, dass bei Trumpf immerhin
40 Prozent der Belegschaft, abweichend
vom 35-Stunden-Tarifvertrag, einen Ver-
trag über 40 Stunden abschließen dür-
fen. Und diese Grenze ist laut Rübling
schon beinahe ausgereizt. All dies lässt
auf insgesamt längere Arbeitszeiten seit
Einführung des Modells schließen.
Der dritte Baustein steht zusätzlich
zur Basis- und Wahlarbeitszeit für eine
längere Auszeit. Bei einer Pause unter
sechs Monaten entscheidet der Mitar-
beiter selbst, wie viele seiner geleisteten
Stunden er von seiner Wochenarbeitszeit
auf ein Freizeitkonto bringen möchte.
Wegen des organisatorischen Aufwands
sollten es aber mindestens zwei Stunden
proWoche sein. Die Stunden werden also
nicht ausbezahlt, sondern in Euro ange-
legt, etwa für eine mehrmonatige Reise.
Auszeit über sechs Monate
Das Sabbatical steht grundsätzlich al-
len Mitarbeitern zu, ist aber auch ein
Versuch, künftigen Absolventen das
Unternehmen schmackhaft zu machen.
Im einfachsten Fall bekommen Bachelor-
Studenten während ihrer Hochschulzeit
zwei Jahre ein halbes Vollzeitgehalt, oh-
ne dass sie am Arbeitsplatz erscheinen
müssen. Im Anschluss steigen sie dann
zwei Jahre über die volle Arbeitszeit im
Unternehmen ein, bekommen aber wei-
terhin das halbe Gehalt bezahlt.
Von
Michael Miller
(Red.)
Auf der Suche nach Arbeitnehmern hilft das
Thema Arbeitszeit in zweierlei Hinsicht weiter, um
die bestehende Lücke zu verkleinern.