Seite 20 - personalmagazin_10_2011

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schäftigung nach. Damit liegt Deutsch-
land im europäischen Vergleich ähnlich
zurück wie bei der gewöhnlichen Wo-
chenarbeitszeit weiblicher Teilzeitkräf-
te. Diese liegt mit 18,5 Stunden gut 1,5
Stunden unter dem europäischen Durch-
schnitt. Ließe sich die Arbeitszeit hier
erhöhen, geht die BA von zusätzlichem
Potenzial zwischen 0,3 und 1,2 Millionen
Vollzeitäquivalenten aus. Nimmt man
beide Faktoren zusammen, also eine
erhöhte Erwerbspartizipation sowie län-
gere Arbeitszeiten, schlummern in die-
sem Bereich Reserven zwischen 0,7 und
2,1 Millionen zusätzlicher qualifizierter
Erwerbspersonen, um die bis 2025 dro-
hende Fachkräftelücke zu verkleinern.
Flexible Arbeitszeiten als erstes Mittel
Um diese Potenziale zu heben, wird als
erstes Mittel die Flexibilisierung der Ar-
beitszeit genannt. Dies ist ein wichtiger
Hebel, er wird aber längst nicht selbst-
verständlich überall genutzt – gerade
in kleineren Unternehmen. So könnten
Betriebe beispielsweise ältere Beschäf-
tigte durch flexible Pausenlösungen oder
Job-Sharing länger im Unternehmen
halten und eine angepasste Arbeitszeit
bieten. Bei den Arbeitskräften über 55
Jahre sieht die BA im Übrigen auch
noch erhebliche Reserven. Schaffen es
Unternehmen, etwa durch innovative
Arbeitszeiten, ältere Menschen län-
ger im Betrieb zu halten, brächte dies
2025 zwischen 0,5 und 1,2 Millionen
Vollzeitäquivalente.
Auch auf die Attraktivität als Arbeit-
geber haben flexible Arbeitszeiten einen
großen Einfluss. So können Unterneh-
men etwa mittels familienfreundlicher
Maßnahmen, Arbeitszeitkonten, Vertrau-
ensarbeitszeit oder Home-Office mehr
Bewerber gewinnen. Mütter beispiels-
weise müssten bei starren Arbeitszeiten
ihren Beruf ruhen lassen. Beispiele für
die Gestaltung von Arbeitszeiten haben
wir auf Seite 28 zusammengestellt.
Flexibilität hilft natürlich auch bei
konjunkturellen Schwankungen. In der
Metall- und Elektroindustrie beispiels-
weise sorgten zuletzt Kurzarbeit, Über-
stundenabbau und Arbeitszeitguthaben
für drei Stunden weniger Arbeit pro Wo-
che, im Schnitt. Zwischenzeitlich hat die
durchschnittliche Wochenarbeitszeit mit
über 40 Stunden wieder das Vorkrisen-
niveau erreicht, wie das Institut Arbeit
und Qualifikation (IAQ) ermittelte.
Mithilfe flexibler Lösungen versuchen
Firmen also, einerseits mehr Mitarbeiter
anzulocken, um mit zusätzlichen Kräf-
ten künftig den betrieblichen Anforde-
rungen gerecht zu werden. Andererseits
versteckt sich nicht selten unter dem
Deckmantel der Flexibilität auch die
Notwendigkeit, zumindest langfristig
die Arbeitszeiten der vorhandenen Mit-
arbeiter zu verlängern. Hier gilt es für
Personaler, offen den Bedarf zu erklären
und Überzeugungsarbeit zu leisten.
Höhere Arbeitszeiten unvermeidlich?
Dass höhere Arbeitszeiten kommen,
davon sind Experten überzeugt. „Mit-
telfristig geht es nicht ohne längere
Arbeitszeiten. 37,5- oder 38-Stunden-
Wochen sind in jedem Fall vorbei“, sagte
Klaus Zimmermann bereits im Oktober
2010. Sogar 45 Stunden könnten nötig
sein, um den Mangel an Mitarbeitern
auszugleichen, erklärte der damalige
Präsident des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung (DIW). Die Exper-
ten der BA stützen diese These. Auch die
Arbeitszeit haben sie unter die Lupe ge-
nommen und Reserven festgestellt. Im
Jahr 2025 wäre ein zusätzliches Fach-
kräftepotenzial von 0,4 bis 1,1 Millionen
Vollzeitäquivalenten zu erreichen, wenn
die Wochenarbeitszeit zwischen 42,5
und 44,5 Stunden läge.
Flexibler Einsatz und höhere Arbeits-
zeiten: Bei näherer Betrachtung stellt
sich gerade die Arbeitszeit als die ent-
scheidende Stellschraube heraus, um
dem demografisch bedingten Wandel in
der Arbeitslandschaft zu begegnen und
um künftig den betrieblichen Anforde-
rungen gerecht zu werden. Potenzial gibt
es – bei Fachkräften wie auch bei inno-
vativen Arbeitszeitmodellen. Jetzt gilt es,
dieses Potenzial zu realisieren.
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ARBEITSZEIT
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an michael .mi l ler@personalmagazin.de
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Fachkräfteangebot steigern
In diesen Handlungsfeldern hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) das Potenzial an zu-
sätzlichen Fachkräften eingeschätzt, um das Fachkräfteangebot im Jahr 2025 zu steigern.
Die Felder in Orange sind für Personaler im Zusammenhang mit der Arbeitszeit relevant.
Quel le: Studie „Fachkräfte für Deutschland“, BA
Schulabgänger ohne Abschluss reduzieren
Ausbildungsabbrecher reduzieren
0,05 - 0,3
Studienabbrecher reduzieren
Menschen über 55 – Erwerbspartizipation erhöhen
Frauen – Erwerbspartizipation erhöhen
Zuwanderung Fachkräfte steuern
Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter steigern
Ausbildung und Qualifizierung vorantreiben
0,1 - 0,3
0,5 - 1,2
0,4 - 0,9
0,4 - 0,8
0,4 - 1,1
0,4 - 0,7
Frauen – Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter steigern
0,3 - 1,2
Angaben: Potenzial 2025 in Millionen Personen/Vollzeitäquivalenten
0,1 - 0,6