Seite 61 - personalmagazin_2010_08

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URTEILSDIENST
RECHT
08 / 10 personalmagazin
Quelle
LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10.2.2010,
6 Ta 25/10
Beweisführung vor dem Arbeitsgericht
ZUSAMMENFASSUNG
Das Beweismittel der Parteivernehmung ge-
mäß § 445 ZPO ist nicht deshalb schon unzulässig, weil der Be-
weisführer theoretisch auch andere Beweismittel (zum Beispiel
Arbeitnehmer als Zeugen) anbieten könnte.
RELEVANZ
Die Entscheidung ist für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten
von besonderer Relevanz, da die Arbeitgeberseite oftmals in Be-
weisnot gerät. Dies deswegen, weil der Arbeitgeber selbst Partei
ist und daher nicht als Zeuge vernommen werden kann.
EUROPARECHT
Mehrfach hat das BAG Einschränkungen durch den EuGH erfahren.
Jetzt kommt es vermehrt zu Vorlagebeschlüssen, bei denen das BAG
den Spieß umdreht und den EuGH zur Stellungnahme auffordert.
Die Vorlagebeschlüsse betreffen die Auslegung der europäischen
Diskriminierungsrichtlinie. Besonders spektakulär ist dabei eine
Vorlage zum Auskunftsanspruch eines abgelehnten Stellenbewer-
bers. Hier geht es um die Frage, ob ein abgelehnter Bewerber, der
keinerlei Indizien für seine Diskriminierung vortragen kann, diese
durch ein Recht auf Auskunft, warum es zur Ablehnung gekommen
ist, ergründen kann.
Weitere Fragen hinsichtlich einer möglichen Diskriminierung stellen
sich für das BAG in Entgeltfragen beim öffentlichen Dienst. Hier
geht es vor allem um die Fälle, bei denen es nicht zu einer Ablösung
durch den TVöD gekommen ist, sondern für die der frühere BAT noch
weiter gilt. In diesen wird in Vergütungsfragen auch nach Lebensal-
terstufen differenziert. Auch hier soll im Wege des Vorabentschei-
dungsverfahrens geklärt werden, ob diese Differenzierung eine von
der Tarifautonomie gestützte Ungleichbehandlung ist.
Quelle
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.12.2009,
11 Sa 263/09
Zum Thema ...
Personalmagazin 4/2008, Seite 79
Rechtsradikale Parole ist Kündigungsgrund
Quellen
Zum Auskunftsanspruch: BAG, Beschluss vom 22.5.2010,
8 AZR 287/08; zu den BAT-Fragen: BAG, Beschluss vom
20.5.2010, 6 AZR 319/09 und 6 AZR 148/09 32
ZUSAMMENFASSUNG
Die Äußerung „Jawohl, mein Führer“ gegenü-
ber einer Mitarbeiterin ist als wichtiger Grund für eine außerordent-
liche Kündigung an sich anzusehen.
Zusätzlich ist aber auch hier eine
umfassende Interessenabwägung durchzuführen.
RELEVANZ
Das Urteil zeigt deutlich, dass rechtsradikale Äußerungen
nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein können. Andererseits
ist eine Interessenabwägung zu fordern, bei der vor allem das bis-
herige Verhalten des Betroffenen eine Rolle spielen kann.
Quelle
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.5.2010,
L 5 Kr 153/09
Quelle
LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.4.2010, 16 Sa 59/105
Zum Thema ...
Personalmagazin 6/2006, Seite 38
ZUSAMMENFASSUNG
Versicherte haben Anspruch auf die Preisgabe
sämtlicher Daten, die Krankenkassen für sie abgespeichert haben.
Die Krankenkasse kann sich insoweit nicht auf das Argument beru-
fen, in § 305 SGB V sei nur die spezielle Auskunft auf in Anspruch
genommene Leistungen definiert.
RELEVANZ
Das Urteil gibt den Versicherten im Ergebnis ein Ein-
sichtsrecht in sämtliche Unterlagen. Die Krankenkasse hatte sich
hier darauf berufen, dass das allgemeine Datenschutzrecht nicht
gelte. Eine solche Einengung auf einen „bereichsspezifischen Da-
tenschutz im Sozialgesetzbuch“ ist nach Auffassung des LSG nicht
rechtswirksam. Wer sich auf dieses Urteil stützt, wird aktuell gleich-
wohl Schwierigkeiten bekommen, denn das LSG hat ausdrücklich
die Revision zugelassen. Die Krankenkassen werden sich zunächst
darauf berufen, dass erst das BSG abschließend entscheiden muss.
ZUSAMMENFASSUNG
Ist ein ordentliches Betriebsratsmitglied im Er-
holungsurlaub, erlangt das nachrückende Ersatzmitglied Sonderkün-
digungsschutz. Dieser greift nur dann nicht, wenn der abwesende
Betriebsrat anzeigt, dass er trotz seines Urlaubs seine Betriebsrats-
tätigkeiten wahrnehmen will.
RELEVANZ
Das Urteil beschäftigt sich mit einer Situation, die Ar-
beitgeber häufig überrascht. Ein Mitarbeiter wendet ein, dass er
als Ersatzmitglied im Betriebsrat zum Zeitpunkt der Kündigung
„nachgerückt“ sei. Zu beachten ist hier, dass die Stellung eines
Nachrückers nicht davon abhängt, ob die beteiligten Betriebsräte
über den Fall eines urlaubsbedingten Nachrückens einen Beschluss
gefasst haben. Vielmehr ist Tatbestandsvoraussetzung des automa-
tischen Nachrückens, dass ein ordentliches Betriebsratsmitglied an
seiner Betriebsratstätigkeit gehindert ist. Dies wird vom Landes-
arbeitsgericht im Falle der urlaubsbedingten Abwesenheit eines
Betriebsratsvorsitzenden bejaht.
Bundesarbeitsgericht deckt den
Europäischen Gerichtshof mit Vorlagen ein
Auskunft auf sämtl iche Sozialdaten
Kündigungsschutz eines Ersatzmitglieds