Seite 43 - personalmagazin_2010_08

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ORGANISATION
CHANGE MANAGEMENT
„Committment fehlt auchoben“
INTERVIEW. Felicitas von Kyaw erklärt, wie es zu Veränderungswiderständen
kommt und wie Führungskräfte künftig Change-Prozesse vorantreiben sollten.
personalmagazin:
Ihre kürzlich veröffent-
lichte Studie hat gezeigt, dass Verände-
rungswiderstand schon auf der zweiten
Führungsebene beginnt. Wie kommt das?
Felicitas von Kyaw:
In der Regel nimmt die
Möglichkeit der Einflussnahme auf Ver-
änderungen von oben nach unten ab, die
Betroffenheit hingegen nimmt zu. Damit
einhergehend sinkt auch die Zustim-
mung. Überraschend ist aber, dass die
Veränderungsbereitschaft nicht linear
abnimmt, sondern der Zustimmungs-
abbruch bereits direkt unterhalb der
Top-Führungsebene signifikant eintritt.
Die Hauptgründe dafür sind mangelnde
Einsicht – auch schon auf der zweiten
Führungsebene, Angst vor schwierigen
Entscheidungen sowie die Angst vor dem
Verlust an persönlichem Einfluss.
personalmagazin:
Was hat das für Folgen?
von Kyaw:
Es ist natürlich fatal, wenn das
Committment so weit oben fehlt. Die
Veränderung „versandet“ so möglicher-
weise schon auf dieser Ebene. In unserer
Studie
erteten
auch nur zehn Prozent der Befragten ver-
gangene Veränderungsprozesse in ihrem
Unternehmenalserfolgreich.Einepositive
Bilanz sieht anders aus! Veränderungs-
initiativen müssen unbedingt Top-Down
vorgelebt werden. Change-Management
muss in die tägliche Führungsarbeit ein-
gehen – auf allen Ebenen.
personalmagazin:
Was bedeutet das für
die Führungskräfte? Welche Rollen und
Aufgaben müssen sie übernehmen?
von Kyaw:
Führungskräfte sollten in Ver-
änderungsprozessen eine aktiv gestal-
tende, auf die Mitarbeiter ausgerichtete
Rolle übernehmen. Sie müssen Men-
schen mobilisieren, eine Vorbildfunktion
einnehmen und Entscheidungen tref-
fen können – das sind die wichtigsten
Funktionen. Das bedeutet einen enormen
„stretch“ für die Führungskräfte, denn
sie müssen dies ja noch zusätzlich zu den
normalen Führungsaufgaben bewältigen.
personalmagazin:
Die Bedeutung von
Change-Management wird im Alltag
also wachsen?
von Kyaw:
Man muss unterscheiden
zwischen projektgetriebenen Verände-
rungsprozessen und einem Change-
Management, das an der Grunddispo-
sition des Unternehmens hin zu einer
wandlungsfähigen Organisation arbei-
tet. Letzteres wird in Zukunft immer
wichtiger. Wie ein Sportler, der stetig
trainiert, muss sich eine Organisation
kontinuierlich weiterentwickeln. Sonst
muss sich das Unternehmen zu sehr
aus einer Defensivsituation heraus im
Hauruck-Verfahren bewegen. Das kann
zu einer Schockstarre führen.
personalmagazin:
Wenn das Thema Wandel
so großgeschrieben wird, bleibt da nicht
die Stabilität auf der Strecke?
von Kyaw:
Man kann es natürlich auch
übertreiben. In einem gut geführten Ver-
änderungsprozess werden daher immer
Konsolidierungsphasen eingeplant, damit
die Organisation und ihre Mitarbeiter
auf neuen Entwicklungsstufen „ankom-
men“ können. Sonst tritt das Phänomen
der Veränderungsmüdigkeit, eine Art
organisationaler Burnout, ein. Wenn eine
Organisation zu häufig durch Verände-
rungsprozesse geht, wissen die Mitarbei-
ter nicht mehr, wo sie eigentlich stehen.
personalmagazin:
Wo kann hier die Perso-
nalabteilung eingreifen?
von Kyaw:
Sie sollte moderierend und
steuernd eingreifen und idealerweise
im Sinne eines HR-Business-Partner-
Ansatzes enger Sparringspartner für
Veränderungsprogramme werden. Viele
HR-Abteilungen sind aber noch nicht
so weit, dass sie wirklich auf Augen-
höhe Veränderungsprozesse begleiten
können. Allerdings: Wenn Überzeu-
gungskraft und Committment „ganz
oben“ fehlen, kann das selbst die beste
HR-Abteilung nicht auffangen.
ist Head of Change Management bei
Capgemini Consulting.
Felicitas von Kyaw
Das Interview führte
Melanie Rößler.
08 / 10 personalmagazin