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A&O-PSYCHOLOGIE
personalmagazin 08 / 10
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Psychologe statt Menschenkenner
SERIE. Kenntnisse der Psychologie sind für Personaler sehr sinnvoll. Bislang
glauben aber noch zu viele an ihre laienhaften Fähigkeiten als Menschenkenner.
– in jedem Fall deutlich besser als der
Durchschnitt aller Menschen. Das zei-
gen immer wieder meine Umfragen in
Seminaren zum Thema „Psychologie für
Personaler“. MitMenschenkenntniswird
gewöhnlich die Fähigkeit bezeichnet,
das Verhalten oder den Charakter eines
Menschen beziehungsweise typische
Charakteristiken von Personengruppen
aufgrund eines ersten Eindrucks zutref-
fend einschätzen zu können. Es geht
also darum, rasch zu erkennen, zu be-
urteilen und vorherzusagen, wie andere
denken und handeln werden, um dies
dann entsprechend zu berücksichtigen.
Menschenkenntnis ist nicht angeboren,
sondern man erwirbt sie durch den häu-
figen Umgang mit Menschen und durch
Erfahrung mit vielen unterschiedlichen
Menschen. Als entscheidender Faktor
für die Fähigkeit der Menschenkenntnis
wird zumeist die Intuition angeführt.
Menschenkenntnis reicht nicht aus
Doch eine ernüchternde Tatsache vorab:
Personaler haben eine gleich hohe Feh-
lerrate beim Einschätzen anderer aus
dem Bauch heraus wie andere Menschen
auch, obwohl siemehr Umgang und Erfah-
rung mit anderen Menschen haben. Der
Mythos „Personaler sind die besten Men-
schenkenner“ sollte so schon widerlegt
sein. Naturgemäß fließt Intuition immer
wieder in HR-Aufgaben ein – man denke
zum Beispiel an Sympathie- und Antipa-
thieeffekte beim ersten Eindruck, einem
häufigen Beurteilungsfehler. Intuition ist
auch nicht unbedingt schlecht, allerdings
sind intuitiv gewonnene Beurteilungen
nicht belegbar, mithin nicht überprüfbar.
Daher können sie in der Personalarbeit
keinesfalls das systematische Vorgehen
ersetzen, wenn es darum geht, Menschen
richtig zu erfassen, ihr Verhalten vorher-
zusagen oder zu beeinflussen. Systematik
ermöglicht Nachvollziehbarkeit, Wieder-
holbarkeit, eine gewisse Unabhängigkeit
und Objektivität der Einschätzungen und
Lernbarkeit. Systematik bietet schließlich
auch eine bessere Argumentationsbasis,
um die gewonnenen Einsichten an Dritte
zu kommunizieren, und damit eine hö-
here Überzeugungskraft als Urteile aus
dem Bauch heraus.
Typologien vereinfachen zu stark
Zum Teil kann Menschenkenntnis auch
dem Wissen über empirisch fundierte
Menschentypologien entspringen. Ver-
schiedene Persönlichkeitsmodelle unter-
scheiden sich darin, welche Dimensionen
der Persönlichkeit erfasst werden, zum
Beispiel Verhalten, Werte und Motive, Ge-
wohnheiten, Denk- und Lernstile. Da es
sich bei Typologien immer um eine mehr
oder weniger umfangreiche Generalisie-
rung handelt, hat jede ihre Schwächen
und Fehler. Je weniger „Kategorien“ ein
Modell bietet, umso größer ist naturge-
mäß die Generalisierung. Das heißt oft-
mals, dass das Modell wenig praktischen
Aussagewert hat, sehr allgemein ist oder
sich eben sehr leicht viele Gegenbeispiele
finden lassen. Jemehr Typen es gibt, desto
weniger lässt sich das Modell verstehen
und merken – und verliert dann ebenfalls
sehr schnell an Alltagstauglichkeit und
Popularität. Über die tatsächliche Gültig-
keit der gewählten Kategorien ist dabei
noch gar nichts gesagt.
Von
Bettina von Lovenberg
Z
u den Aufgaben von Personalern
gehört es, die Qualitäten und das
Potenzial eines Bewerbers im
Vorstellungsgespräch zu erken-
nen. Sie müssen zudemMitarbeiter über
Umstrukturierungsmaßnahmen und
Change-Prozesse informieren, sie dabei
auch emotional mitziehen. Sie sollten
die Hintergründe eines Konflikts zwi-
schen einem Vorgesetzten und seinem
Mitarbeiter verstehen und wissen, wie
sie Mitglieder eines Teams für ein Son-
derprojekt gewinnen können. Und sie
sollten wissen, wie sie mit Mitarbeitern
und Führungskräften des Unterneh-
mens erfolgreich umgehen. Dies sind
nur wenige und sehr unterschiedliche
Aspekte der Personalarbeit. Doch eines
eint sie alle: Mit grundlegenden Psycho-
logiekenntnissen sind diese Aufgaben
professioneller zu leisten.
Die meisten Personaler sind der Mei-
nung, sie seien gute Menschenkenner
SERIE: PSYCHOLOGIE IN HR
SERIE
Ausgabe 8/2010:
Psychologe statt Menschenkenner
Ausgabe 9/2010:
Personenbeurteilung
Ausgabe 10/2010:
Motivation
Ausgabe 11/2010:
Führung
Ausgabe 12/2010:
Gruppenarbeit