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AUSBILDUNG
personalmagazin 08 / 10
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
vernachlässigt. „Aufgrund der demogra-
fischen Entwicklung fehlen immer mehr
Fachkräfte. Dadurch wird die Ausbildung
ein noch zentraleres Thema“, erklärt Pe-
ter Müller, Ausbildungsbeauftragter bei
der Roman Mayer GmbH, die Teil der
mittelständischen Roman Mayer Logistik
Group ist.
Das Unternehmen ging deswegen im
Jahr 2008 einen außergewöhnlichen
Weg, um in der Öffentlichkeit ein größe-
res Bewusstsein für die Ausbildung zum
Kraftfahrer zu schaffen. Im Rahmen des
Förderprogramms „Jobstarter – Für die
Zukunft ausbilden“ des Bundesministe-
riums für Bildung und Forschung sowie
des Europäischen Sozialfonds startete
die Roman Mayer GmbH zusammen mit
der RBA Regionalbus Augsburg GmbH
das Projekt „Kraffittis“ (Kraftverkehrfit-
ness in Schwaben). Die Projektleiter aus
den beiden Unternehmen gingen zusam-
men in Betriebe aus der Region Schwa-
ben, die bisher noch keine Lehrstellen
für Kraftfahrer angeboten hatten. Dort
warben sie für neue Ausbildungsplätze.
„Wegen der demografischen Situation
müssen wir gemeinsam – auch in den
konkurrierenden Unternehmen – dafür
sorgen, dass mehr Schulabgänger eine
Ausbildung in unserer Branche aufneh-
men“, erklärt Müller, warum er sich für
das unternehmensübergreifende Projekt
engagiert. „Wir waren das erste Unter-
nehmen aus der freien Wirtschaft, das
sich an diesen Förderprogrammen betei-
ligt hat.“ Bisher waren daran ausschließ-
lich Bildungsträger beteiligt.
Im persönlichen Gespräch versuchten
sie die Firmen davon zu überzeugen,
weitere Lehrstellen zu schaffen. Das häu-
figste Gegenargument: Die hohen Kos-
ten. Eine Ausbildungsstelle kostet bis zu
80.000 Euro pro Azubi. Außerdem man-
gelt es vielen Unternehmen an Personal
und Zeit für die Ausbildung. Trotzdem
konnte „Kraffittis“ innerhalb von zwei
Jahren 45 Stellen in Schwaben akquirie-
ren. „Damit haben wir unser Ziel sogar
übertroffen“, so Peter Müller. „Die Lehr-
stellenlücke werden wir dadurch zwar
noch nicht schließen können. Aber es
lohnt sich, denn die Situation wird lang-
fristig nicht besser werden.“
Trotz des Erfolgs mussten die beiden
Unternehmen das Projekt im Februar
auslaufen lassen. Der bürokratische Auf-
wand, um die Fördermittel zu erhalten,
war zu hoch. „Wir mussten alle Stunden,
die wir für das Projekt aufgewandt ha-
ben, dokumentieren und Beleghefte so-
wie Fahrtenbücher führen“, sagt Müller.
Doch das Unternehmen wirbt weiter
um neue Auszubildende – „jetzt eben
nur noch in unserem eigenen Interes-
se“, erklärt der Ausbildungsbeauftragte.
Er gehe nun verstärkt in die Schulen,
um die potenziellen Azubis direkt über
den Ausbildungsweg und den Beruf als
Kraftfahrer zu informieren.
Deerberg Versand GmbH:
Mehr Eigenverantwortung bieten
Das Versandunternehmen Deerberg mit
Sitz in Hanstedt in der Lüneburger Heide
wirbt um Azubis mit dem Angebot, dass
sie viel Eigenverantwortung in der täg-
lichen Arbeit bekommen. Mit insgesamt
elf Auszubildenden in fünf verschiedenen
Berufen liegt die Ausbildungsquote un-
ter den Festangestellten bei 40 Prozent.
Für die Bürokaufleute und Kaufleute im
Einzelhandel hat das Unternehmen ein
Geschäft, das „Lindgrenhus“, gegründet,
das drei Azubis in einem eigens gebauten
Gebäude leiten. Dafür hat Deerberg mit
Wohnaccessoires ein Teilsortiment neu
aufgenommen, das ausschließlich über
den Laden und das zugehörige Internet-
Portal vertrieben wird.
Die Idee, eine Filiale von Azubis leiten
zu lassen, ist nicht neu. Viele Einzel-
händler bieten ihren Azubis diese ei-
genverantwortliche Aufgabe als Teil der
Ausbildung an – dann aber meist nur für
einen kurzen Zeitraum. Bei Deerberg lei-
ten die Azubis ein ganzes Geschäft mit
eigenem Sortiment für sechs bis zwölf
Monate. Sie haben dafür eine Mitarbei-
terin im Verkauf eingestellt, führen mit
ihr Mitarbeitergespräche und Gehalts-
verhandlungen. Zudem vergeben sie an
die anderen Azubis interne Aufträge.
„Im Moment finanziert sich der Laden
noch nicht eigenständig“, erklärt Antina
Wolff, Generalmanager bei der Deerberg
Versand GmbH. Doch der Aufwand lohnt
sich für die Azubis, die so von Anfang
an lernen, eigenständig zu arbeiten. Sie
werden gecoacht und können sich bei
Problemen an die Ausbilder wenden.
Darüber hinaus hat Deerberg für dieses
Projekt in die Ausbildungsverordnung
eingegriffen und eine Sondergenehmi-
gung vonder Industrie- undHandelskam-
mer (IHK) erhalten. Die Auszubildenden
müssen kein Berichtsheft führen, wie es
sonst Vorschrift ist. Stattdessen schrei-
ben sie ein „Ausbildungstagebuch“: Da-
rin tragen sie ein, welche Tätigkeiten sie
insbesondere in Zusammenarbeit mit
anderen Abteilungen in dieser Zeit neu
erlernt und umgesetzt haben. Sie be-
schreiben, was genau sie dabei gemacht
haben, beispielsweise wie sie Azubis
anderer Abteilungen für einen internen
Auftrag gebrieft haben, und erläutern,
wo genau sich ihre Arbeit überschneidet.
Auf diese Weise erstellen sie ein Nach-
schlagewerk, das sie nutzen können, um
sich auf ihre IHK-Prüfung vorzubereiten.
Zusätzlich füllen sie einmal imMonat ei-
nen klassischen Monatsbericht aus, wie
er für die Ausbildungsnachweise üblich
ist. „Selbst für die Azubis, die außerhalb
des Gebiets der für uns zuständigen IHK
ihre Ausbildung absolvieren, haben wir
die Ausnahmegenehmigung erhalten“,
erklärt Antina Wolff.
„Es fehlen immer mehr Fachkräfte. Dadurch wird
die Ausbildung ein noch zentraleres Thema.“
Peter Müller, Ausbildungsbeauftragter bei der Roman Mayer GmbH