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RECHT
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ARBEITSVERTRAGSRECHT
generell aber möglich ist. Die Vermei-
dung „frustrierter Aufwendungen“ kann
durch eine Regelung der Erstattung von
Bewerberauslagen erreicht werden.
Kann aber im beschriebenen Fall
Walter B. nicht stattdessen dem ver-
tragsbrüchigen Mitarbeiter eine Scha-
densersatzforderung entgegenhalten,
denn schließlich hat er erhebliche Inves-
titionen getätigt? Auf diese Frage, einem
prozesserfahrenem Fachanwalt für Ar-
beitsrecht gestellt, erhielten wir eine
typische arbeitsrechtliche Antwort, näm-
lich: „Im Prinzip ja, aber in der Praxis
scheitert dies regelmäßig am Nachweis
der Kausalität. Man wird hier entgegen-
halten, dass die Investitionen auch bei
einem vertragsgemäßen Verhalten ent-
standen wären.“ Womit wir wieder beim
Rat zu den flankierenden Maßnahmen
wären. Maßnahmen, die Walter B. in
die Lage versetzen, sein vorbildliches
System der vorgezogenen Einarbeitung
von Mitarbeitern aufrechtzuerhalten.
w
EXPERTENRAT
Diese Kosten muss der Arbeitgeber tragen
Die Erstattung von Bewerberauslagen ist für Unternehmen ein heikles
Thema. Gute Kandidaten will man nicht durch Knickerigkeit vergrätzen,
andererseits ist das Anwerben neuer Mitarbeiter mit hohen Kosten
verbunden – und auf denen möchte man zu Recht auch nicht allein sitzen
bleiben. Welche Kosten müssen Unternehmen Bewerbern also ersetzen?
Und dürfen bereits erstattete Auslagen sogar zurückgefordert werden,
wenn ein neu angestellter Mitarbeiter seine Stelle nicht antritt?
Kosten der Bewerbung
Die Kosten für die üblichen Bewerbungsunterlagen trägt der Bewerber.
Gleiches gilt für übliche oder erforderliche berufsspezifische Nachweise,
wie Führungszeugnisse, Gesundheitszeugnisse oder andere Eignungsgut-
achten. Gerade wenn die Kosten für einen solchen Nachweis erheblich
sind, sollte der Bewerber auf seine Kostenpflicht hingewiesen werden.
Vorstellungskosten
Bittet der Arbeitgeber den Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch,
sind die dem Bewerber dadurch entstehenden Aufwendungen gegen die
Vorlage entsprechender Belege vom Arbeitgeber zu erstatten. Dies gilt
auch, wenn die Einladung zum Vorstellungsgespräch auf eine Initiativbe-
werbung zurückgeht.
Zu den Vorstellungskosten gehören die Kosten der Anreise, Übernach-
tungskosten sowie Verpflegungsaufwand, nicht jedoch Verdienstausfall
oder aufgewendeter Urlaub. Der Bewerber hat Anspruch auf Erstattung
der Aufwendungen, welche er den Umständen nach für erforderlich
halten durfte; die Erstattungspflicht richtet sich damit nach den
konkreten Umständen.
Die Kosten der Nutzung des eigenen Pkw – im Rahmen der steuerlichen
Sätze für die Benutzung eines Privatfahrzeugs für eine Dienstfahrt –
sowie die Kosten einer Bahnfahrt zweiter Klasse sind stets angemessen
und erstattungsfähig, wenn der Bewerber von seinem Wohnort zum
Vorstellungsgespräch anreist. Weniger eindeutig ist bereits die Erstat-
tungspflicht von Taxikosten für die letzte Strecke, zum Beispiel vom
Bahnhof zum Ort des Vorstellungsgesprächs, und bei langer Anreise die
Erstattung von Flugkosten, wobei Letztere inzwischen ja nicht mehr
Von
Stefanie Mader
zwingend die Kosten einer Bahn-
fahrt zweiter Klasse übersteigen.
Erfolgt die Bewerbung aber
für eine Position, bei welcher
Bahnfahrten erster Klasse und
Linienflüge und Übernachtungen
in Hotels der gehobenen Klasse
üblich sind, so sind auch solche
Auslagen angemessen und vom
Arbeitgeber zu erstatten.
Wegfall der Erstattungspflicht
Erscheint der Bewerber nicht
zum Vorstellungsgespräch, hat er
auch keinen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten. Findet der Termin
aus Gründen nicht statt, die der Arbeitgeber verschuldet hat, sind vom
Bewerber bereits getätigte Aufwendungen zu erstatten.
Keinen Einfluss hat auf die Erstattungspflicht, ob später ein Arbeits-
verhältnis begründet wird. Für Unternehmen zusätzlich ärgerlich: Der
Erstattungsanspruch besteht sogar dann, wenn der Bewerber später die
Stelle entgegen der getroffenen vertraglichen Vereinbarung nicht antritt.
Gestaltungsmöglichkeiten
Der Arbeitgeber kann aber durch einen eindeutigen Hinweis im Einla-
dungsschreiben zum Vorstellungsgespräch die Übernahme von Vorstel-
lungskosten insgesamt ausschließen. Weniger einschneidend kann in der
Einladung auch festegelegt werden, welche Auslagen erstattet werden,
gegebenenfalls bis zu welchem Höchstbetrag. Da der Arbeitgeber die
Übernahme jeglicher Kosten abwenden kann, kann die Erstattungspflicht
auch vom Zustandekommen eines Arbeitsvertrags oder von einem
späteren Arbeitsantritt abhängig gemacht werden. Hierbei sollte jedoch
nicht übersehen werden, dass allzu restriktive Regelungen auch einen
schlechten ersten Eindruck beim Bewerber hinterlassen können.
Stefanie Mader
Rechtsanwältin bei
Simmons & Simmons