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personalmagazin 01 / 10
ARBEITSVERTRAGSRECHT
wirkt nicht, sofern der Vertrag noch
nicht unterzeichnet worden ist.
Damit ist die rechtliche Situation für
Arbeitgeber in derartigen Fällen eigent-
lich klar. Sie können Mitarbeiter auffor-
dern, am vereinbarten Arbeitsbeginn
tunlichst zu erscheinen, da sie sich an-
sonsten vertragsbrüchig verhalten. Und
sie können mit Unterstützung des BAG
im oben zitierten Urteil auch wirksam
ein Kündigungsverbot vor der Arbeits-
aufnahme vereinbaren.
Mit dieser Rechtsposition allein ist
Walter B. allerdings recht wenig gehol-
fen. Im Gegenteil: Ein Beharren auf dem
vertraglich vereinbarten Arbeitsbeginn
würde den „Investitionsschaden“ für ihn
nur noch vergrößern. Wirkung erzielt
ein Arbeitger in diesen Fällen nur mit
einer Kombination aus Kündigungsver-
bot und flankierenden Vereinbarungen.
Hier ist an erster Stelle an die Verein-
barung einer Vertragsstrafe zu denken,
die zwar engen Schranken unterliegt,
EXPERTENRAT
Vertragsstrafe beugt vor
Möchte der Arbeitgeber verhindern, dass ein Arbeitnehmer pflichtwid-
rig seine Tätigkeit zum vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses
nicht aufnimmt, bietet sich eine Vertragsstrafenklausel an.
BAG lässt Gestaltung zu
Die grundsätzliche Zulässigkeit einer Vertragsstrafe in Arbeitsverträgen
hat das BAG in der Vergangenheit (zuletzt mit Urteil vom 28.5.2009 –
8 AZR 896/07) bereits mehrfach anerkannt. Das BAG hat jedoch
einschränkende Leitlinien aufgestellt, die im Rahmen der Vertragsge-
staltung beachtet werden müssen, um zu verhindern, dass eine Klausel
wegen eines Verstoßes gegen die AGB-Vorschriften als unwirksam zu
qualifizieren ist. Sie darf keine überraschende Bestimmung nach § 305c
Abs. 1 BGB darstellen. Dies ist der Fall, wenn die Klausel nach den kon-
kreten Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des
Vertrags so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner nicht mit dieser
rechnen muss, zum Beispiel, wenn die Vertragsstrafe in der Vereinbarung
unter „Sonstiges“ versteckt wird (vergleiche BAG vom 14.8.2007 –
8 AZR 973/06). Die Klausel sollte aus diesem Grund als eigener Abschnitt
formuliert werden und eine eigene Überschrift aufweisen.
Eindeutig, verständlich und überschaubar
Eine Vertragsstrafe muss wegen des Transparenzgebots des § 307
Abs. 1 S. 2 BGB klar gegliedert und im Wortlaut eindeutig, verständlich
sowie durchschaubar sein. Die konkret zu sanktionierende Pflichtver-
letzung muss so bezeichnet werden, dass der Arbeitnehmer erkennen
kann, was auf ihn zukommt. So ist die Formulierung „Vertragsbruch
in sonstiger Form“ mit anschließender beispielhafter Aufzählung von
Pflichtenverstößen zu unbestimmt (LAG München vom 24.9.2009 –
3 Sa 402/09). Die Beschreibung „pflichtwidrige Nichtaufnahme der
Arbeit“ ist dagegen hinreichend konkret.
Höhe der Vertragsstrafe
Die Rechtsprechung unterzieht die Vertragsstrafenregelung zusätzlich
einer strengen Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Unwirksamkeit kann sich dabei aus einem Missverhältnis zwischen
Von
Dr. Alexander Bissels
und
Gregor Haag
Pflichtverletzung und Höhe der Vertragsstrafe ergeben. Inwieweit
eine Vertragsstrafe bei dem pflichtwidrigen Nichtantritt der Arbeit
ihrer Höhe nach noch zulässig ist, bestimmt sich dabei nach der
Länge der Kündigungsfrist. Ist die gesetzliche Kündigungsfrist von vier
Wochen anwendbar, darf die Vertragsstrafe ein Bruttomonatsgehalt
nicht überschreiten. Soweit in der Probezeit die gesetzliche Kündi-
gungsfrist von zwei Wochen gilt, darf die Vertragsstrafe nicht höher
als ein halbes Bruttomonatsgehalt sein. Ausgewogen ist die Staffelung
der Strafe nach Tagen in Kombination mit der Begrenzung auf eine
Maximalstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts (BAG vom 28.5.2009
– 8 AZR 896/07).
Keine geltungserhaltende Reduktion
Während das BAG vor der Schuldrechtsreform eine unangemessen hohe
Vertragsstrafe auf ein zulässiges Maß herabgesetzt hat, fällt diese
Möglichkeit aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion
nunmehr ersatzlos weg (BAG vom 4.3.2004 – 8 AZR 328/03). Eine
Kürzung der Vertragsstrafe auf das nach Auffassung des Gerichts
angemessene „Strafniveau“ ist damit ausgeschlossen.
Gregor Haag
Rechtsanwalt,
Bad Honnef
Dr. Alexander Bissels
Rechtsanwalt bei
CMS Hasche Sigle, Köln