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RECHT
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ARBEITSVERTRAGSRECHT
Eingestellt – kurzfristig abgesagt
VERTRAGSRECHT. Auch vor dem Arbeitsbeginn gilt das Kündigungsrecht.
Gegen Vertragsbruch helfen dabei zusätzliche Vereinbarungen.
W
enn sich Walter B., Inhaber
eines mittelständischen
Software-Hauses, für einen
Bewerber entschieden
hat, dann soll der Mitarbeiter möglichst
schon amersten Tag effektive Leistungen
erbringen. Dementsprechend beginnt
für den neuen Mitarbeiter schon vor
dem eigentlichen Arbeitsbeginn ein um-
fangreiches Informations- und Vorberei-
tungsprogramm. So wird ihm schon mit
der schriftlichen Zusage umfangreiches
Material für seinen Job zugesandt. Bei
einem „Schnuppertag“ lernt er nicht nur
seine künftigen Arbeitskollegen kennen,
sondern nimmt auch schon an einem
Meeting teil, in dem er
viel über sein künftiges
Arbeitsfeld erfährt.
Wenn dann der neue
Mitarbeiter an seinem ers-
ten echten Arbeitstag das
Unternehmen betritt, ist
sein Arbeitsplatz längst
gerichtet, der Mitarbeiter
loggt sich auf den für ihn
konfektionierten Compu-
ter ein und stellt fest, dass
er von der ersten Stunde
an im Unternehmen ver-
netzt ist.
Absage ist nicht möglich
Wie aber kann Walter
B. reagieren, wenn ein
derart vorbereiteter Mit-
arbeiter einige Tage vor
seinem ersten Arbeitstag
per E-Mail folgende Mitteilung schickt:
„Da ich kurzfristig eine andere sehr
attraktive Stelle angeboten bekommen
habe, werde ich meine Arbeit bei Ihnen
leider nicht aufnehmen können. Ich
hoffe, dass Sie dafür Verständnis haben,
mit freundlichen Grüßen.“
Zunächst könnte der Arbeitgeber hier
sofort arbeitsrechtlich kontern und den
abgesprungenen Mitarbeiter höflich,
aber bestimmt auf ein Missverständnis
aufmerksam machen, das unter Arbeit-
nehmern häufig kursiert und etwa wie
folgt verstanden wird: Hat man sich ent-
schlossen, einen zugesagten Job nicht
anzunehmen, sei eine förmliche Kündi-
gung erst dann notwendig, wenn man
die Arbeit zum vertraglich vereinbarten
Arbeitsbeginn aufgenommen habe. Bis
zu diesem Zeitpunkt sei die Mitteilung,
dass man den Job nicht annehme, ledig-
lich als sanktionslose „Absage einer Be-
werbung“ zu verstehen.
Diese Ansicht tauchte auch in der ar-
beitsrechtlichen Literatur immer wieder
auf, jedenfalls bis zum Jahr 2004, in dem
das Bundesarbeitsgericht (BAG) unmiss-
verständlich entschied. „Grundsätzlich
kann ein Arbeitsvertrag unter Einhal-
tung der ordentlichen Kündigungsfrist
oder aus wichtigem Grund vor dem ver-
einbarten Dienstantritt gekündigt wer-
den“ (BAG-Urteil vom 25. 3.2004, 2 AZR
324/03). Damit war klargestellt, dass die
Verpflichtung, Kündigungsfristen einzu-
halten, auch im Hinblick auf einen noch
gar nicht angetretenen Job anzuwenden
ist.
Arbeitsvertrag ist zustandegekommen
Was aber wäre, wenn zum Zeitpunkt der
„Absage“ von den Parteien der Arbeits-
vertrag noch nicht unterzeichnet war,
weil dies erst am Tag der Einstellung er-
folgen sollte? Auch dies wird in den „Ab-
sagefällen“ häufig als Argument mit dem
Satz „Noch habe ich ja nichts unterschrie-
ben“ ins Feld geführt. Arbeitsrechtlich ist
dies aber unbeachtlich, da das Zustande-
kommen eines Arbeitsvertrags nicht von
dessen Schriftform abhängig ist.
Auswirkungen kann ein fehlender
schriftlicher Vertrag allerdings auf die
Frage haben, welche Frist bei einer Kün-
digung, die vor Arbeitsaufnahme erklärt
wird, einzuhalten ist. Eine im schrift-
lichen Arbeitsvertrag formulierte, vom
Gesetz abweichende Kündigungsfrist
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
Neuer Stuhl. Nicht immer erscheint der vorgesehene Mitarbeiter.