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LOHNSTEUERRECHT
ringfügig Beschäftigte damit in der Lage
ist ein Wertguthaben für eine spätere
Freistellung – etwa in Form einer vorge-
zogenen Rente – anzusammeln. Ob von
dieser Möglichkeit angesichts der Grö-
ßenordnung, in der geringfügig Beschäf-
tigte Wertguthaben ansammeln können,
überhaupt jemand Gebrauch macht ist
zu bezweifeln. Für die Praxis ungleich
wertvoller ist vielmehr, dass der Grund-
satz einer Durchschnittsbetrachtung
auch für „normale“, also wertguthaben-
freie Arbeitszeitkonten gilt.
Wie bei sozialversicherungspflichti-
gen Arbeitnehmern auch, muss bei ge-
ringfügig Beschäftigten penibel darauf
geachtet werden, dass die zulässig an-
gesparten Arbeitsstunden nicht einer
Pflicht zur Anlage in Wertguthaben un-
terliegen, sondern „buchhalterisch“ in
einem wertguthabenfreien Arbeitszeit-
konto geführt werden können.
Es muss
sich daher aus der arbeitsvertraglichen
Abrede ergeben, dass die Überschrei-
tung der 400-Euro-Grenze und die „auf-
geschriebene“ Mehrarbeit zur flexiblen
Gestaltung der täglichen beziehungswei-
se wöchentlichen Arbeitszeit oder dem
Ausgleich von produktionsbedingten Ar-
beitszeitschwankungen dient. Diese Kri-
terien werden gemäß § 7b Nr.2 SGB IV
zur Abgrenzung von Wertguthaben und
flexiblem Arbeitszeitkonto verwendet.
Beispiel: Eine Servierkraft arbei-
tet in einem gastronomischen Betrieb
ganzjährig auf 400-Euro-Basis. In der
sommerlichen Biergartenzeit macht sie
regelmäßig Überstunden und würde bei
Auszahlung der Überstunden in den be-
treffenden drei Monatenmindestens 600
Euro verdienen. Lösung: Da die Über-
stunden in der Biergartenzeit vorher-
sehbar sind, würde nach den bisherigen
Grundsätzen hier eine Sozialversiche-
rungspflicht eintreten. Nach Maßgabe
der neuen Grundsätze für Arbeitszeit-
konten könnte der Arbeitgeber hier wie
folgt gestalten: Mit der Servierkraft wird
ein gleichbleibendes monatliches Gehalt
von 400 Euro vereinbart und ausbezahlt.
Aufgrund der saisonbedingten Arbeits-
zeitschwankungen werden die Über-
stunden jedoch mit Zeiten verrechnet,
in denen wenig Betrieb ist. Der Status
als geringfügig Beschäftigte bleibt der
Serviererin gleichwohl erhalten.
Vorsicht: Ein-Monats-Grenze einhalten
Wichtig ist, dasskeine freigestelltenZeiten
entstehen, die über einen Kalendermonat
hinausgehen. Ist dies der Fall, so greift
eine andere Besonderheit des Rechts der
Arbeitszeitkonten: Freistellungen über
einen Kalendermonat hinaus begründen
eine Pflicht, die entsprechenden Über-
stunden in Wertguthaben anzulegen.
Beispiel: Die Serviererin im Biergarten-
fall macht so viele Überstunden, dass sie
vonMitte Oktober bis Ende November frei
hat und ihr Gehalt vereinbarungsgemäß
fortgezahlt wird.
Lösung: Hier käme bei einer Betriebs-
prüfung der Restaurantbesitzer in die
Bredoullie. Entweder müsste er die
aufgebauten Überstunden in ein Wert-
guthaben umwandeln oder er müsste
die Überstunden rückwirkend für die
Monate auszahlen, in denen sie angefal-
len sind. In diesem Fall würde dies dann
aber rückwirkend zu einem sozialversi-
cherungspflichtigen Beschäftigungsver-
hältnis führen.
Dokumentieren ist erstes Gebot
Wer die neue Freiheit bei der Flexibilität
von Minijobbern nutzen will, der sollte
aber vor allem eines beachten: Alles was
vereinbart wurde, sollte schriftlich fi-
xiert werden. Bezüglich der Arbeitszeit-
konten sollte eine für den Betriebsprüfer
klar erkennbare Dokumentation der
tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden
selbstverständlich sein.
HINWEIS
Das gilt bei Minijobbern weiterhin
Auch außerhalb der Durchschnittsbetrachtung gibt es für Situationen, bei denen
die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenzen droht, einen eleganten Flucht-
weg. Das Stichwort heißt hier „Unvorhersehbare Überschreitung“.
Überschreitungen der Geringfügigkeitsgrenze bleiben dann sanktionslos, wenn diese
aufgrund einer Einzelfallbetrachtung für den Arbeitgeber nicht „vorhersehbar“ waren.
Liegt eine solche vor, so verliert ein geringfügig Beschäftigter nicht seinen versiche-
rungsfreien Status, auch wenn er in dem konkreten Monat einmal mehr als 400 Euro
verdient. Beispiel: In einer Spedition ist eine Aushilfskraft jeden Freitag bis 18.00
Uhr mit Entladetätigkeiten beschäftigt. Am letzten Arbeitstag eines Monats fällt ein
Kühlraum im Lagerhaus aus, sodass der Arbeitnehmer noch drei Überstunden macht,
um beim Umladen der Ware aus dem Kühlhaus in einen Kühllastwagen mitzuhelfen.
Lösung: Der Betreffende hat in diesem Monat die 400-Euro-Grenze überschritten. Da
diese „Kühlhaussituation“ aber nicht vorhersehbar war, ist damit keine Umstufung in ein
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis verbunden.
Achtung: An die Frage der Voraussehbarkeit werden aber strenge Anforderungen gestellt.
Der geschilderte „Kühlraumfall“ dürfte dabei ein klarer Fall sein, bei dem eine Sozialver-
sicherungspflicht nicht entsteht. Anders könnte es sich beispielsweise verhalten, wenn
sich die Überstunden ergeben hätten, weil ein Lastwagen verspätet bei der Spedition
eintrifft. In diesem Fall könnte das Argument des Betriebsprüfers dahin gehen, dass
mit derartigen Verspätungen in einem Speditionsbetrieb ständig zu rechnen sei und die
geleisteten Überstunden daher nicht unvorhersehbar waren.