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WISSENSMANAGEMENT
personalmagazin 01 / 10
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Wikipedia als Vorbild
PRAXIS. Wissen teilen, weiterentwickeln und im Unternehmen halten: Mit
Wikis ist das möglich. Die MVV Energie AG setzt diese auch im HR-Bereich ein.
bietern, die sich gezielt an Firmen wen-
den, ist in der Tat groß – entscheidend ist
aber das Grundprinzip der Software: Je-
der Nutzer kann die vorhandenen Inhalte
nicht nur online lesen, sondern er kann
auch neue Seiten anlegen oder die bereits
bestehenden Texte, Grafiken, Links und
Strukturierungen der Seitensammlung
verändern. Die vorgenommenen Ände-
rungen sind sofort für alle sichtbar.
Doch genau dieser lebendige Charakter
desTools löst inUnternehmennicht selten
Misstrauen aus. Ebenso sorgt der demo-
kratische Entwicklungsprozess – im be-
sten Fall werden auf einer Wiki-Plattform
Inhalte geschaffen, die von einer Mehr-
heit als besonders treffend und wichtig
empfunden werden – für Bedenken. Dies
ist nicht verwunderlich, steht doch das
Funktionsprinzip eines Wikis der kon-
ventionellen Organisationsstruktur und
-kultur eines Unternehmens, die geprägt
sind von Steuerung und Kontrolle, ausge-
prägten Hierarchien, Termindruck und
bezahlter Arbeit, entgegen.
Einsatz von Wikis im Personalwesen
Auch bei MVV Energie tat man sich zu-
nächst nicht leicht mit der Einführung,
da die Offenheit des Tools zunächst so-
wohl bei Mitarbeitern als auch bei Füh-
rungskräften auf Skepsis stieß. Nach
einer Masterthesis zur Einführung eines
Wikis im Vertrieb aus pädagogischer
Sichtweise und mit der Erfahrung von
rund 700 Einträgen auf der Plattform
wandelte sich jedoch die Einstellung zu
diesem Werkzeug. Das Wiki wurde auch
im Inhouse Consulting, im Einkauf und
im Personalbereich eingeführt. Jedes
dieser Wikis bezieht sich individuell auf
die Themen des jeweiligen Fachbereichs
und ist aus Vertrauensgründen auch nur
den Mitarbeitern dieser Organisations-
einheit zugänglich.
Im Personalbereich stand das Wiki im
Zusammenhang mit einem Projekt, das
sich mit der künftigen Ausrichtung des
Personalbereichs beschäftigte. Unter
dem Motto „Personal macht Zukunft“
erarbeiteten Vertreter aller Gruppen
eine umfassende Übersicht über ihr
Leistungsangebot in Form von Steckbrie-
fen. Es entstand eine Dokumentations-
sammlung in klassischemWord-Format,
die eine Übersicht über die vielfältigen
Schnittstellen innerhalb des eigenen Be-
reichs wiedergab. Die Wiki-Technologie
bot die richtige Plattform, um die Steck-
briefe auch künftig immer auf dem aktu-
ellsten Stand zu halten.
Im neuen HR-Wiki tauschen sich die
Mitarbeiter mittlerweile zu verschie-
denen Rubriken aus. Es wurde eine
virtuelle Bibliothek erstellt, in der von
HR-Mitarbeitern verfasste Artikel, Stu-
dien und Abschlussarbeiten gesammelt
werden. So können etwa Diplomanden
ihre Studienarbeiten gezielt aufeinander
aufbauen und viele Rund-Mails bleiben
erspart. In der Rubrik „Finanzen, Zahlen
und Statistiken“ sorgen zum Beispiel der
Von
Anne Keck
B
ekannt wurde das Wiki-Prinzip
mit dem beeindruckenden Er-
folg von Wikipedia: Ein um-
fassendes Nachschlagewerk, das
allen Menschen (mit Internet-Zugang)
das Wissen dieser Welt kostenfrei über-
all und jederzeit zugänglich macht. Mitt-
lerweile gibt es so viele „Wikipedianer“,
dass neue Artikel schon kurze Zeit nach
der Erstellung auf korrekten Inhalt, über-
sichtliche Form und guten Stil hin über-
prüft und bei Bedarf angepasst werden.
Die webbasierte Wiki-Software bietet
für das Wissensmanagement in Unter-
nehmen großes Potenzial – vorausgesetzt,
man ist sich über seine Ziele und Anwen-
der im Klaren. Die Vorteile für den Ein-
satz imUnternehmen sind reizvoll. Dazu
gehören beispielsweise die Transparenz
über vorhandenes Wissen, das schnel-
lere Auffinden von Informationen und
Ansprechpartnern sowie die sinnvolle
Vernetzung bestehender Wissenspools
(zum Beispiel Laufwerk, Intranet und
anderes) durch Verlinkungen.
Welche dieser Ziele ein Unternehmen
mit einem Wiki erreichen will, sollte es
als Erstes festlegen. Erst danach wird
entschieden, welcher Wiki-Anbieter der
beste dafür ist. Die Auswahl an Wiki-An-
Firmen begegnen Wikis häufig misstrauisch, da
diese nicht ihren konventionellen Strukturen
entsprechen. Viele Vorteile bleiben so ungenutzt.