Seite 71 - personalmagazin_2010_09

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TARIFRECHT
Gewerkschaft oder die Zustimmung
des Arbeitnehmers voraus.
Tarifvertrag nach Betriebs-
übergang
Knifflige Fragen ergeben sich, wenn
ein Betrieb oder Betriebsteil zuge-
kauft wird. Gilt der im veräußerten
Betrieb einschlägige Tarifvertrag
auch nach dem Übergang? Die Ant-
wort erschweren die vielen unter-
schiedlichen Konstellationen, die
sich in der Praxis ergeben können.
Jüngst musste das Bundesarbeitsge-
richt über einen Fall entscheiden, in
dem der Veräußerer eines Betriebs
an den allgemeinverbindlichen Flä-
chentarifvertrag für das Wach- und
Sicherheitsgewerbe gebunden war,
aber gleichzeitig einen kostengüns-
tigeren Haustarifvertrag abge-
schlossen hatte. Der Käufer war der
Ansicht, nach der Übernahme gelte
der kostengünstige Firmentarif auch
bei ihm, wurde jedoch in letzter In-
stanz eines Besseren belehrt (BAG,
7.7.2010 – 4 AZR 1023/08). Nach An-
sicht der BAG-Richter ist der Käufer
nicht Partei des Firmentarifs gewor-
den, weil auch er an den allgemein-
verbindlichen Flächentarifvertrag
derselben Branche gebunden war.
Bezugnahmeklauseln
haben es in sich
Nach wie vor sorgen auch zeitdyna-
mische Bezugnahmeklauseln in Ar-
beitsverträgen für Kopfzerbrechen.
Sie sehen vor, dass für das Arbeits-
verhältnis ein Tarifwerk in seiner je-
weils gültigen Fassung maßgeblich
ist. Der Arbeitgeber möchte auf die-
se Weise Gewerkschaftsmitglieder
und Außenseiter gleichstellen. Bei
der Formulierung von Bezugnah-
meklauseln ist Sorgfalt geboten.
Wenn im Wortlaut nicht hinrei-
chend klar zum Ausdruck kommt,
dass die Bezugnahme nur so lange
gelten soll wie der Arbeitgeber
selbst tarifgebunden ist, nehmen
die Arbeitnehmer an Tarifentwick-
lungen auch dann noch teil, wenn
der Arbeitgeber längst aus dem Ar-
beitgeberverband ausgetreten oder
der Betrieb von einem nicht tarifge-
bundenen Unternehmen übernom-
men worden ist (BAG, 18.4.2007 – 4
AZR 652/05). Ein Tarifausstieg oder
–wechsel kann durch unglücklich
formulierte Bezugnahmeklauseln
vereitelt werden.
Betriebsverfassung
im Blick behalten
Nochwenig bekannt ist inder Praxis,
dass ein Arbeitgeber trotz Wegfalls
seiner Tarifbindung nicht immer völ-
lig frei ist, ein neues Vergütungssys-
tem zu praktizieren, wenn er neue
Mitarbeiter einstellt. Dies jedenfalls
dann, wenn im Unternehmen ein
Betriebsrat vorhanden ist, denn Fra-
gen der betrieblichen Lohngestal-
tung unterliegen gemäß § 87 Abs.
1 Nr. 10 BetrVG der zwingenden
Mitbestimmung. Der Arbeitgeber
bleibt daher auch bei einer Lösung
aus dem Tarifvertrag an eine prakti-
zierte Vergütungsordnung betriebs-
verfassungsrechtlich gebunden, bis
er mit dem Betriebsrat etwas Neues
vereinbart hat. Das gilt auch, wenn
die Vergütungsordnung zunächst
auf einem Tarifvertrag beruhte, an
den das Unternehmen kraft Mit-
gliedschaft im Arbeitgeberverband
gebunden war, das Unternehmen
jedoch inzwischen ausgetreten ist.
Selbst bei einemUnternehmenskauf
tritt der Erwerber eines Betriebs in
die betriebsverfassungsrechtliche
Bindung des Veräußerers ein (BAG,
8.12.2009 – 1 ABR 66/08).
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