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personalmagazin 09 / 10
MANAGEMENT
PERSONENBEURTEILUNG
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Menschen sich den geltenden Spielregeln
einer Gruppe anzupassen. Letzteres ist die
Folge des Konformitätsdrucks von Grup-
pen, wie er in den 50er-Jahren unter an-
deremvon Solomon Asch erforscht wurde:
Menschen treffen in diesen Experimenten
offensichtliche Fehlurteile, wenn die
Gruppe falsch liegt, die sie bei Einzelent-
scheidungen nicht treffen. Es ist aber auch
Folge der Anpassung an soziale Normen,
die durch hierarchisch überstellte Per-
sonen geprägt werden, wie sie der Soziolo-
ge Talcott Parsons beschrieben hat. Dieses
Verhaltenkanndanngänzlich anders sein,
als das Verhalten, das gezeigt wird, wenn
sich die Person unbeobachtet fühlt. Ent-
spricht dieses Verhalten nicht der eigenen
Persönlichkeit, zeigt dieses „Rollenspiel“
bereits nach kurzer Zeit Brüche. Die ma-
ximale Leistungsfähigkeit – zum Beispiel
im Assessment-Center gezeigt – korres-
pondiert dann nur wenig mit der in der
Praxis gezeigten Leistung, da Motive,
Werte und Einstellungen zum Tragen
kommen. Professor Julius Kuhl aus Os-
nabrück zeigt, dass die klassischen In-
strumente hier versagen: Fragebögen zur
Motivmessung haben eine deutlich gerin-
gere Vorhersagekraft als die lange Zeit
geschmähten projektiven Bildertests, die
Karriere, Berufserfolg und Einkommen
besser vorhersagen.
Beurteilen im Dreischritt
Um diesen menschlichen Verzerrungen
zu begegnen, sind Systeme der Per-
sonalauswahl und –beurteilung ent-
wickelt worden, deren Kern in einem
Dreischritt besteht: Klassifizieren, Kate-
gorien bilden und Interpretieren. Beim
Klassifizieren wird festgelegt, was beur-
teilt werden soll. Hierfür werden in der
Praxis Anforderungsprofile erstellt und
anhand dieser Anforderungen benötigte
Kompetenzen abgeleitet. Die daraus
entstehenden Kategorien werden mit
Ankerbeispielen belegt, sodass die Inter-
pretation möglichst objektiviert werden
kann. Durch Beobachterschulungen und
die Diskussion in Gruppen wird zudem
eine Objektivierung erreicht. Diese Re-
geln wurden für die Personalauswahl in
der DIN 33430 zusammengefasst.
Ein derzeit stark diskutiertes Thema
ist auch die anonyme Bewerbung. Dabei
sollen Name, Bild und Anschreiben nicht
in den Bewerbungsunterlagen auftau-
chen, um mögliche Wahrnehmungsver-
zerrungen auszuschließen. Gerade der
Einfluss von Attraktivität auf die Bewer-
berauswahl wurde schon häufig unter-
sucht, zum Beispiel von Professor Heinz
Schuler, Universität Hohenheim, oder
aktuell von Dr. Maria Agthe, Psychologin
an der Ludwigs-Maximilian-Universität
in München.
Studien belegen Wirkung von Intuition
In letzter Zeit mehren sich die Befunde,
dass in einer solchen objektivierten Be-
urteilung ein wesentlicher Kern mensch-
licher Urteilskraft übersehen wird: Die
Intuition. Ap Dijksterhuis, Sozialpsycho-
loge an der Universität Nijmegen, kann
zeigen, dass in komplexen Entschei-
dungssituationen die Objektivierung zu
kurz greift. Seine Studien beziehen sich
vor allem auf Kaufentscheidungen. Für
Personalentscheidungen fehlen meines
Wissens noch experimentelle Studien.
In der Hirnforschung wurde erkannt,
ausgelöst durch die Split-Brain-Unter-
suchungen von Roger Sperry, der 1981
für diese Arbeit mit dem Nobelpreis
ausgezeichnet wurde, dass die linke He-
misphäre für die rational geprägte Ent-
scheidung zuständig ist. Sie verarbeitet
sequenziell und hat eine begrenzte Auf-
nahmekapazität, dadurch ist sie entkop-
pelt von der analogen, ganzheitlichen,
komplexen und schnellen Verarbeitung,
die der Lebenserfahrung zugrunde liegt.
Das wiederum leistet die rechte Hemi-
sphäre, die Zugang zu all diesem stil-
len Wissen hat, das aber nur bedingt in
Sprache zu fassen und sehr viel stärker
von Emotionen beeinflusst ist.
Blockiert die Standardisierung, die
einseitig linkshemisphärisches Denken
SERIE: PSYCHOLOGIE IN HR
WAHRNEHMUNGSFEHLER
Selektive Wahrnehmung
Unser persönlicher Erfahrungsschatz lässt uns bestimmte Dinge wahrnehmen und
andere nicht. Dies gilt besonders bei hoher Informationsdichte.
Projektion
Eigene Eigenschaften werden auf den anderen übertragen. Ist uns eine Person
in einem wichtigen Merkmal ähnlich, übertragen wir gerne auch weitere eigen
Eigenschaften auf diese Person.
Halo-Effekt
Wenige Merkmale und herausragende Leistungen überstrahlen alles andere. So
werden attraktive Menschen intelligenter und sozial kompetenter eingeschätzt.
Implizite Persönlichkeitstheorien
Wahrnehmungen werden mit Eigenschaften und Bewertungen verknüpft (ein
konservativer Kleidungsstil wird mit Gewissenhaftigkeit assoziiert und das weckt
Vertrauen).
Emotionsgeleitete Wahrnehmung
Für Emotionen wie Angst und Liebe konnte nachgewiesen werden, dass unter-
schiedliche neuronale Muster der Wahrnehmung aktiviert und zugleich andere
gehemmt werden. Eine objektive Wahrnehmung also gar nicht mehr möglich ist.
Auch schwächere Emotionen lenken die Wahrnehmung.